Guten
Morgen,
ich
gehe durch die Fußgängerzone. Viele Leute sind dort wieder unterwegs. Da kommt
mir einer entgegen und sagt: Guten Morgen Herr Neumann! Ich entgegne: Hallo!
Guten Morgen! Wir lächeln uns an und schon trennen sich unsre Wege. Das war
doch der? Wie heißt der noch mal? Den kenne ich doch von… Denke ich. Und mir
will einfach der Name nicht einfallen. Manchmal hilft es mir in solchen
Situationen, das Alphabet in Gedanken durchzugehen – bis mir der
Anfangsbuchstabe hilft, auf den Namen des Bekannten zu kommen.
Ein
Ort, über den ich auch immer wieder einmal gehe, ist der Friedhof. Es gibt wohl
kaum einen Ort, an dem so viele Namen zu finden sind, wie ein Friedhof. Auf
kleinen und großen Grabsteinen. Namen von Bekannten und Unbekannten. Großen und
kleinen Leuten. Ein Grabstein hat mich einmal besonders angesprochen: Da sieht man
in der Mitte des Steins zwei Engel, die sich an einem Haufen von Buchstaben zu
schaffen machen. Das sieht so aus, als würden sie Scrabble spielen, dieses
Buchstabenspiel, bei dem man aus einzelnen Buchstaben Wörter bilden muss. Diese
Engel suchen auch nach einem Namen. Den Namen dessen, der da beerdigt liegt. Die
beiden Himmelsboten gehen wohl auch das Alphabet durch. Denn der erste
Buchstabe des Namens ist schon aufgestellt.
Mit
diesem besonderen Grabstein will wohl einer sagen: ‚Auch, wenn ihr
Friedhofsbesucher meinen Namen nicht mehr kennt, weil er unleserlich geworden
ist: Es gibt einen Ort, wo er wieder zusammengesetzt wird. Gott selbst sorgt
dafür, dass ich kein Namenloser bleibe‘.
Es
gibt ja in der Tat auch so viele Namenlose auf den Friedhöfen. Immer mehr
Menschen werden anonym beerdigt. Da ist kein Grabstein, auf dem ein Name oder
Geburts- und Todesdatum steht. Und auch kein kleines Schild wie bei den
halbanonymen Gräbern, bei denen die Toten auf einer bestimmten Rasenfläche
bestattet werden. Und an einer Steele oder einem Baum oder auf der Erde findet
sich eine Tafel mit ihren Namen. Immer mehr Menschen finden auf dem Friedhof
ihre letzte Stätte, ohne dass ihr Name sichtbar ist.
Und
dann gibt es die vielen Namenlosen in den Massengräbern, wie wir sie aus den
Bildern über die zerbombten Städte der Ukraine kennen. Oder von manchen
Kriegsgräbern. Der Tod macht uns hier auf dieser Erde oft zu Namenlosen. Als
Christ glaube ich jedoch, dass mein Name und meine Identität bei Gott
aufgehoben sind. Deshalb hat Jesus zu seinen Leuten gesagt: (Lukas 10,20, Die
Bibel, Luther 2017) „Freut euch, dass
eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind“. Es gibt einen hoffnungsvollen
Ort, wo niemand namenlos ist. Eine Stadt, in der die Namen ihrer Bürgerinnen
und Bürger bekannt sind.
Gott
vergisst unsere Namen nicht.
Ihr Pastor Christoph
Neumann aus Iserlohn.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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