Guten Morgen!
Das dauert ja wieder eine Ewigkeit, denke ich. Ich bin
mit der Bahn in Köln unterwegs und muss umsteigen. Mist, die Anschlussbahn ist
weg. So sitze ich also auf dem Bahnsteig und warte auf die nächste. In fünf
Minuten soll sie kommen. Wie die meisten anderen Leute um mich herum, ziehe ich
mein Handy aus der Tasche. Ich schaue nach den Mails und Nachrichten. Nix
neues. Also stecke ich das Handy wieder in die Tasche und schaue mich um. Die
Uhrzeit auf der digitalen Fahrplananzeige ist um fünf Minuten weitergelaufen. Also
müsste doch jetzt die Bahn kommen. Aber nichts passiert. Die angegebene
Wartezeit auf der Anzeigetafel beträgt immer noch fünf Minuten. Also kommt sie
auch heute wieder zu spät. Das dauert ja wieder eine Ewigkeit.
Ich erwische mich dabei, wie schwer es mir fällt, die
Wartezeit auszuhalten. Ich bin es in meinem Alltag kaum noch gewohnt, solche
leeren Warte-Zeiten zu haben. Irgendwie geht doch alles meist schnell. Oder
muss schnell gehen, weil eigentlich keine Zeit ist.
Ich nehme mir Zeit. Ich halte mir Zeit frei. Ich habe
Zeit. Und ich finde Zeit für etwas. Ich gehe mit Zeit um, als ob sie mir
gehören würde. Ganz so als könne ich über sie verfügen, wie etwa über das
Kleingeld in meiner Tasche. Dabei ist sie doch immer da. Die Zeit vergeht, egal
ob ich will oder nicht.
In der Bibel heißt es im 31. Psalm: „Meine Zeit, Gott,
steht in deinen Händen.“ (Psalm 31,16a, Luther 17) Die Zeit, die mir zur
Verfügung steht, meine Zeit, liegt nicht in meinen Händen. Sie steht in Gottes
Händen. Gott passt auf sie auf.
Ich kann die Zeit nicht sparen, sie für später
aufheben oder alles auf einmal „benutzen“. Ich bin nicht der Herr über meine
Zeit oder die Zeit allgemein. Aber ich kann entscheiden, wie ich meine Zeit
fülle.
So sitze ich also an der Bahnstation und sehe mich um.
So wie ich warten einige hier. Viele haben ihr Handy in der Hand. Eine junge
Frau liest ein Buch. Ein älteres Ehepaar scheint sich zu unterhalten. Im
Kinderwagen schläft ein Säugling. Und weiter hinten spielen zwei Jungs. Während
ich mich so umschaue, reißt mich die Durchsage aus meinen Gedanken. Meine Bahn
kommt. Wie? Eben dauerte es doch noch eine Ewigkeit.
In der Bahn lasse ich mein Handy jetzt auch einfach
mal in der Tasche. Ich schaue mich weiter um. Erst in der Bahn und sobald wir
über der Erde weiterfahren, sehe ich aus dem Fenster. Meine Gedanken hängen
noch immer an dem Vers aus der Bibel:
„Meine Zeit, Gott, steht in deinen Händen.“ (Ps 31,16a
Luther 17)
Ich finde das beruhigend. Ich bin für meine Zeit nicht
alleine verantwortlich. Ich muss mir keine Zeit nehmen, sie nicht freihalten,
haben oder finden. Bei Gott ist meine Zeit gut aufgehoben.
Bei all dem Nachdenken habe ich dann die Zeit
vergessen und meine Station verpasst.
Eine gute Zeit wünsche ich Ihnen.
Ihr Pfarrer Oliver Mahn aus
Köln.
Redaktion:
Landespfarrerin
Petra Schulze
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