Vielleicht
ist es in diesem Jahr endlich mal wieder so weit: Weiße Weihnacht im Sektor.
Endlich
ist es mal so, wie es früher auch nie war.
Leise
rieselt der Schnee, legt sich wie eine weiche Decke
über
die Welt mit ihren Rissen und Schlaglöchern,
über
unser Leben mit seinen Ecken und Kanten.
Vielleicht
versteckt er ein bisschen von dem Hässlichen,
schenkt
der Stadt den Glitzer der Unberührtheit, den sie sonst nicht hat.
Wir
legen uns in den Schnee, wedeln mit Armen und Beinen,
stehen
auf und zeigen auf den Boden und sagen: Engel gibt es doch.
Aber
vielleicht wird Weihnachten auch in diesem Jahr wieder nicht weiß,
sondern
eher schmutziggraubraun.
Nasser
Asphalt, Matschflecken auf Wiesen und Wegen,
Hundehaufen,
aufgeweichtes Altpapier.
Vielleicht
wird die Stadt hässlicher und gröber sein als sonst.
Vielleicht
liegen unsere Risse und Schlaglöcher offen wie noch nie,
weil
dieses Jahr wieder ein so verdammt scharfkantiges war.
Und
vielleicht werden wir endlich verstehen,
dass
das Harte sich nicht weichzeichnen lässt.
Vielleicht
werden wir uns gegenseitig unsere Narben zeigen
Und
davon erzählen, wovor wir am meisten Angst haben.
Vielleicht
werden wir unsere Tränen einmal nicht runterschlucken
Und
unsere Wut einmal nicht verstecken.
Und
vielleicht überrascht uns dann jemand.
Vielleicht
bietet uns jemand, der eigentlich auch nicht raucht,
im
richtigen Moment eine Zigarette an.
Und
unsere Finger berühren sich über der Packung,
und
für einen Augenblick ist alles gut.
Und
wir stehen auf und staunen und wissen: Engel gibt es doch.
Sprecher:
Jan
Primke
Redaktion: Daniel Schneider
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