„Sei
perfekt!“, „Ohne Fleiß kein Preis!“ – Kennen Sie diese Sätze? Ich habe noch
drei weitere: „Sei stark, ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Sei
gefällig“ oder, auch gut: „Nutze deine Zeit!“
Wo kommen diese Sätze her? Wer
hat einem das gesagt? Meine Mutter, mein Vater, ein Lehrer, der Opa …? Ich
kenne sie aus Kindertagen. Und sie prägen. Sie bestimmen bis heute unser Leben.
In der Psychologie nennt man sie „Motivatoren“. Und im Grundmuster sind das genau
diese fünf Aussagen. Ohne Fleiß, kein Preis! Mach was aus deiner Zeit… usw. Sie
entscheiden wesentlich mit, dass und warum ich etwas tue.
Mich persönlich hat der Satz
„Sei gefällig“ begleitet. Im guten Sinne wie im schlechten. Gut, weil er mich
empathisch gemacht hat. „Joachim, sei gefällig.“ Das heißt für mich: Mach das,
was den Menschen gefällt, also guttut.
Ich wurde als Kind zuhause
oft gefragt, wenn ich von Auftritten zurückkam, Vortrag vor der Klasse zum
Beispiel: Nicht, hat es dir gefallen, sondern: Hat es den anderen gefallen? Ich
habe dadurch, positiv gesagt, einen Blick entwickelt für das, was Menschen,
denen ich begegne, brauchen.
Andererseits – alles, was ich
tue, muss gefallen – so ein Anspruch macht auch konfliktscheu. Und ich sehe die
Gefahr, den Wert des Lebens vor allem aus der Anerkennung durch andere zu
schöpfen. Das ist nicht gut. So haben alle sogenannten Motivatoren oft zwei
Seiten, eine gute und eine fragwürdige.
Es gibt für mich inzwischen einen
weiteren „Motivator“, der für mich mindestens genauso wichtig ist. Und der hat mehr
mit Glauben als mit Psychologie zu tun. Der heißt: „Du bist ein geliebter
Mensch!“ Geliebt von einem Mitmenschen, geliebt von Gott. Vorbehaltlos, auch
mit deinen Schwächen und Fehlern.
In der Bibel wird dazu
erzählt, dass sich der Himmel öffnet, als Jesus getauft wird und Gott spricht:
„Du bist mein lieber Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen!“ Ich glaube, der
Himmel öffnet sich immer, wenn einem jemand diesen Satz sagt. Oder einen
so ähnlich schönen.
Tja – Sei gefällig! Sei
stark! Mach was aus deinem Leben! – Vielleicht ist das die große Chance von
Glauben und von Religion: Dass ich die Optimierungsansprüche der Gesellschaft und
auch die Wünsche und Ansprüche, einer sicher immer gut gemeinten Erziehung, um
die Liebe ergänze. Geliebt zu werden, das macht das Leben wirklich wertvoll. Und
die Liebe motiviert vielleicht sogar am meisten. Und zwar, sich immer wieder
neu auf das Leben einzulassen. Auch wenn es schwierig wird, wenn es Arbeit
macht.
Liebe motiviert, das Leben gemeinsam
mit den Anderen zu teilen. Auch und gerade, weil keiner und keine von uns
perfekt ist.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61100_WDR220230520Gerhardt.mp3