Morgen ist es soweit: Die Krönung von Charles III. Ein weltweites Medien-Spektakel, von den einen fasziniert bestaunt, von den anderen mit Kopfschütteln wahrgenommen, und mit allen Schattierungen dazwischen. Rein von Berufs wegen finde ich interessant, wie hier Riten zelebriert werden. Und ich wünsche allen begeisterten Zuschauer-/innen viel Freude – und Charles Gottes Segen. Dennoch bleibt mir das Ganze zutiefst fremd. Nicht nur vom Kopf, von meinem Demokratie-Verständnis her, sondern vor allem aus tiefer protestantischer Seele.
„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk.“ (1. Petr 2,9) Mit der Taufe werden wir alle zu König-/innen, Priester-/innen und Prophet-/innen gesalbt – so formuliert es der Heidelberger Katechismus (Frage 32). Dieser Gedanke ist mir wichtig: für meinen Glauben, für die Gestaltung unserer Kirche, auch für unser Zusammenleben als Gesellschaft.
Die Evangelien sind eine einzige große Gegenerzählung: statt Pomp, Gedöns und goldener Kutsche ein Eselsreiter; einer, dem das anti-monarchische schon in Krippe und Stall gelegt ist; bis hin zu seiner Krönung mit Dornenkrone am Kreuz. Die Geschichte des einen Herrn der Welt, der freiwillig zum Knecht aller Knechte wird – und damit unsere Herrschaftsvorstellung heilsam auf den Kopf gestellt hat. „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ (Mk 10, 42ff.)
Das knüpft an die Geschichte des Volkes Israel als Volk befreiter Sklaven an. Dass auch sie später einen König hatten „wie die anderen Völker“, wird in der biblischen Erzählungen herrlich monarchie-kritisch geschildert. 1. Sam 8-16 sei sehr zur Lektüre empfohlen.
Was für ein schöner urprotestantischer Gedanke: Wir leben frei als Königskinder Gottes, um einander liebend als Königskinder Gottes zu begegnen. Eine Krone für das Volk!
