Auf dem Bahnhofsvorplatz habe
ich neulich das Gespräch zweier älterer Damen belauscht. Die eine,
schätzungsweise Ende siebzig, war mit dem E-Bike vorgefahren und hatte sich
gerade das neue neun Euro Ticket für alle drei Monate gekauft.
„Ich weiß zwar noch nicht, ob
ich fahre, aber wenn ich fahre, habe ich ordentlich was gespart.“ „Ich weiß
nicht, entgegnet die andere. Hier ist doch sowieso dauernd
Schienenersatzverkehr. Und wenn mal ein Zug kommt, ist es mit dem neuen Ticket
so voll, da bekommst du vom vielen Körper aneinander schubbern noch die
Affenpocken!“
Ich überlege kurz, mich ins
Gespräch einzuschalten und zu erwidern: „Nee, die Affenpocken kommen von den
Chemtrails! Besinne mich dann aber eines Besseren, um nicht mit einem dummen
Spruch das zarte Pflänzchen der Mobilitätswende zu gefährden und beschließe dem
Gespräch besser nicht mehr zu folgen.
Ich habe nämlich den
Verdacht, dass es so endet, wie viele Gespräche dieser Art enden: In einer sich
immer weiter in den Abgrund drehenden Spirale über den schlechten Zustand der
Welt und Deutschland im Besonderen.
Ausschlaggebend für diese Art
Weltbetrachtung ist das zwei Dinge gleichberechtig nebeneinandergestellt
werden, die sich widersprechen. Der Wunsch nach faktenbasierter Weltdeutung und
das Recht auf Beibehaltung der eigenen Meinung, die den Fakten widerspricht.
Noch während ich den
Bahnhofsvorplatz verlasse, ärgere ich mich darüber, dass mir statt des blöden
Spruchs mit den Chemtrails nicht ein Bibelwort eingefallen ist. Manchmal sind
Bibelworte nämlich alles andere als sperrig, sondern geradezu sehr
lebenspraktisch. An einer Stelle heißt es einmal: „Achte auf deine Gedanken,
denn sie entscheiden über dein Leben.“ (Sprüche 4,23 Hoffnung für Alle).
„Achte auf deine Gedanken,
denn sie entscheiden über dein Leben“, ist dann vielleicht ein guter Ratschlag
sich gegen den Trend „es wird eh alles immer schlimmer“ zur Wehr zu setzen.
Mit mir wird es nämlich immer
nur dann schlimmer, wenn die schlechten Gedanken sich wie von selbst einstellen
und das Gute, das mir eigentlich tagtäglich widerfährt, gar nicht mehr in den
Blick kommt.
Ich weiß, es erfordert einige
Anstrengung am Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen aufzustehen und zu
sagen: „Ich freue mich richtig auf das, was der Tag mir bringen mag.“ Aber das
muss ja auch gar nicht. Es reicht, sich nicht von apokalyptischen Unkenrufen
beirren zu lassen.
Schließlich geht es um Dein
Leben!
Redaktion: Pastorin
Sabine Steinwender-Schnitzius
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