Iran

Kirche in WDR2 | 03.11.2022 | 00:00 Uhr

Kurze Videos sind es. Mit dem

Handy aufgenommen. Menschen werden zusammengeschlagen. Und dann: Mutige Frauen

und Männer demonstrieren trotzdem weiter. Gemeinsam. Sie wehren sich gegen die

eigene Regierung, die die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger niederknüppelt,

zu ersticken versucht. Es sind Videos aus dem Iran. Seit Wochen werden sie

verbreitet. Und so weit weg der Iran ist, in Bonn ist er uns sehr nah.

Wir haben eine größere Gruppe

iranischer Christinnen und Christen in unserer Stadt. Sie haben uns angesprochen:

Betet mit uns. – Hilft das? habe ich mich gefragt. Aber sie sagen: Ja,

unbedingt, und bitte auch gemeinsam.

Wir versammeln uns öffentlich

vor unserer Kirche und sprechen ein Gebet. Einer hat Psalm 2 ausgesucht: ein uraltes

Gebet aus der Bibel-Text, 2.500 Jahre vielleicht. Da geht es um die Mächtigen

der Welt, die „Könige der Erde“, die nicht erkennen wollen, was dem Leben guttut

und stattdessen Menschen nur Elend und Gewalt aufzwingen.

Wie aktuell klingt dieser

alte Gebets-Text! Er ist eine Anklage an alle Mächtigen, die ihre Macht

missbrauchen. Eine Anklage an die, die doch eigentlich dafür da sind, das

Zusammenleben in einem Land oder einer Stadt zu sichern und zu stärken. Eine

Anklage an eine politische Führung, die nur daran interessiert ist, wie sie die

eigene Macht erhalten kann. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Im Iran wie überall auf der

Welt. In diesen Monaten passt das Gebet für mich genauso auch zu der Klage über

den russischen Kriegsterror in der Ukraine.

„Aber der im Himmel wohnt“,

so heißt es in dem alten Gebet, „der im Himmel wohnt, lacht über sie, und Gott,

der Herr, spottet über sie.“ Was für eine Botschaft! Die Tyrannen und

Diktatoren der Welt – von Gott ausgelacht. Von ihm in ihrer ganzen Dürftigkeit

entlarvt und enttarnt. Gott lacht über sie! Wie treffend, gerade dann, wenn

sich diese Herrschenden auch noch so selbstgerecht auf Gott berufen.

Der Bibeltext hat Mutmachworte

für uns: Hören wir nicht auf mit der Sehnsucht, dass sich Frieden, Recht und

Gerechtigkeit für alle Menschen durchsetzen. Ein Mutmachwort hineingesprochen

in das Schreien der Inhaftierten, das Weinen über die Todesopfer.

Von unseren Iranerinnen und

Iranern in Bonn können da inzwischen fast alle eine Geschichte erzählen. „Wir

haben große Angst um unsere Familien und Freunde“, sagen sie.

Die allermeisten sind alleine

gekommen. Die Eltern, die Schwester, der Bruder, der Freund sind noch im Iran.

So viele sind persönlich betroffen!

Gott im Himmel lacht über die,

die ihre Macht missbrauchen! Und ist vor allem aber auch bei denen, die

ohnmächtig leiden. Schon der Betende vor 2500 Jahren wusste: Die Macht des

Unrechts wird nie auf ewig herrschen. Und die Menschen, die bewusst Leid

verursachen, werden sich verantworten müssen.

– Es sind fromme Wünsche. Aber

in diesem Augenblick, in dem wir da vor der Kirche stehen, da geben sie uns

viel Kraft. Wir werden uns wieder versammeln und wir werden weiter gemeinsam beten.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59528_WDR220221103Gerhardt.mp3

  • 3.11.2022
  • Joachim Gerhardt
  • © CCO Pixabay
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