Kurze Videos sind es. Mit dem
Handy aufgenommen. Menschen werden zusammengeschlagen. Und dann: Mutige Frauen
und Männer demonstrieren trotzdem weiter. Gemeinsam. Sie wehren sich gegen die
eigene Regierung, die die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger niederknüppelt,
zu ersticken versucht. Es sind Videos aus dem Iran. Seit Wochen werden sie
verbreitet. Und so weit weg der Iran ist, in Bonn ist er uns sehr nah.
Wir haben eine größere Gruppe
iranischer Christinnen und Christen in unserer Stadt. Sie haben uns angesprochen:
Betet mit uns. – Hilft das? habe ich mich gefragt. Aber sie sagen: Ja,
unbedingt, und bitte auch gemeinsam.
Wir versammeln uns öffentlich
vor unserer Kirche und sprechen ein Gebet. Einer hat Psalm 2 ausgesucht: ein uraltes
Gebet aus der Bibel-Text, 2.500 Jahre vielleicht. Da geht es um die Mächtigen
der Welt, die „Könige der Erde“, die nicht erkennen wollen, was dem Leben guttut
und stattdessen Menschen nur Elend und Gewalt aufzwingen.
Wie aktuell klingt dieser
alte Gebets-Text! Er ist eine Anklage an alle Mächtigen, die ihre Macht
missbrauchen. Eine Anklage an die, die doch eigentlich dafür da sind, das
Zusammenleben in einem Land oder einer Stadt zu sichern und zu stärken. Eine
Anklage an eine politische Führung, die nur daran interessiert ist, wie sie die
eigene Macht erhalten kann. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Im Iran wie überall auf der
Welt. In diesen Monaten passt das Gebet für mich genauso auch zu der Klage über
den russischen Kriegsterror in der Ukraine.
„Aber der im Himmel wohnt“,
so heißt es in dem alten Gebet, „der im Himmel wohnt, lacht über sie, und Gott,
der Herr, spottet über sie.“ Was für eine Botschaft! Die Tyrannen und
Diktatoren der Welt – von Gott ausgelacht. Von ihm in ihrer ganzen Dürftigkeit
entlarvt und enttarnt. Gott lacht über sie! Wie treffend, gerade dann, wenn
sich diese Herrschenden auch noch so selbstgerecht auf Gott berufen.
Der Bibeltext hat Mutmachworte
für uns: Hören wir nicht auf mit der Sehnsucht, dass sich Frieden, Recht und
Gerechtigkeit für alle Menschen durchsetzen. Ein Mutmachwort hineingesprochen
in das Schreien der Inhaftierten, das Weinen über die Todesopfer.
Von unseren Iranerinnen und
Iranern in Bonn können da inzwischen fast alle eine Geschichte erzählen. „Wir
haben große Angst um unsere Familien und Freunde“, sagen sie.
Die allermeisten sind alleine
gekommen. Die Eltern, die Schwester, der Bruder, der Freund sind noch im Iran.
So viele sind persönlich betroffen!
Gott im Himmel lacht über die,
die ihre Macht missbrauchen! Und ist vor allem aber auch bei denen, die
ohnmächtig leiden. Schon der Betende vor 2500 Jahren wusste: Die Macht des
Unrechts wird nie auf ewig herrschen. Und die Menschen, die bewusst Leid
verursachen, werden sich verantworten müssen.
– Es sind fromme Wünsche. Aber
in diesem Augenblick, in dem wir da vor der Kirche stehen, da geben sie uns
viel Kraft. Wir werden uns wieder versammeln und wir werden weiter gemeinsam beten.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59528_WDR220221103Gerhardt.mp3