Ein schlechter Handwerker

Kirche in WDR3 | 23.01.2023 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Wenn Jesus zu seinen

Lebzeiten gefragt worden ist, „wie ist das mit Gott“, „wie ist das mit dem

Himmel?“, „wie sollen wir uns Gerechtigkeit vorstellen?“, dann hat er mit

kleinen Geschichten aus dem Alltag seiner Zuhörer geantwortet.

Dabei vergleicht er zum Beispiel das Himmelreich mit einem Schatz, den ein

Bauer findet. Oder er erzählt von der Hausfrau, die eine Perle verloren hat,

vom Vater und seinen Kindern und so weiter. Geschichten, die die Leute

verstehen können, weil sie aus ihrem Alltag sind. Das nennt man die

Gleichnisse.

Jesus selber ist

vermutlich Bauhandwerker gewesen, jedenfalls war das sein Vater Joseph. Und

höchst wahrscheinlich hat Jesus, wie es damals üblich gewesen ist, bei seinem

Vater gelernt. Und nun ist es auffällig, wie wenig Gleichnisse Jesus aus dem

Bauhandwerk erzählt. Läge das nicht nahe, öfter aus seinem eigenen Fachgebiet

zu erzählen?

Vielleicht will Jesus

einfach die Welt der Zuhörer aufgreifen und nicht seine eigene. Kann sein. Aber

ich persönlich liebe folgende Theorie.

Folgen Sie mir dazu

auf eine Baustelle, auf der Joseph mit dem 12-jährigen Jesus arbeitet. Joseph

hämmert, schleift, schleppt Steine, und Jesus läuft neben ihm her und fragt ihm

Löcher in den Bauch. Spricht über Gott, über den Himmel, entwickelt Theorien

und sagt: „Was meinst Du, Vater?" Und Joseph sagt: „Junge guck hin, was du

machst! Konzentrier dich jetzt auf die Arbeit“. Aber Jesus kann nicht. Er ist

woanders.

Und abends sagt Joseph

zu Maria: „Der hat wirklich zwei linke Hände, unser Sohn. Ein guter

Bauhandwerker wird der nie und nimmer.“

Und Maria sagt: „Wundert

dich das? Der Junge hat den göttlichen Funken in sich, das wissen wir doch vom

ersten Tag an. Der muss was anderes machen.“

Und eines Tages kommt

Jesus und sagt: „Lasst mich gehen. In die Wüste, nach Jerusalem, ich muss meine

Bestimmung finden.“

Und sie lassen ihn

gehen. Und viele Jahre bleibt er weg. Meditiert in der Wüste, hört anderen

Theologen zu, lernt und findet seinen eigenen Stil.

Nach vielen Jahren

kommt er nach Nazareth zurück. Er hat seinen Weg gefunden. Er geht von Dorf zu

Dorf und sucht die Leute in ihrem Alltag auf. Und predigt auch so: mit

Gleichnissen aus ihrem Alltag

Und er sieht Joseph

in der Menge stehen und ihm zuliebe erzählt er: „Wer sein Vertrauen nicht auf

Gott, sondern auf andere Dinge setzt, der gleicht einem Handwerker, der ein

Haus auf Sand baut. Als der Sturm kommt, fällt es um.“

Und Joseph denkt:

„Deine Häuser ganz bestimmt!“

Und Jesus denkt: „Die

Beispiele aus dem Bauhandwerk lass ich mal lieber weg.“

Viele sagen: Jesus

war ein guter Mensch und ein weiser Lehrer. Für mich ist er Gottes Sohn und ein

genialer Vermittler der Liebe Gottes auf Erden – nicht nur durch seine guten Geschichten.

Und: Er war vermutlich

ein richtig schlechter Handwerker.

Das macht ihn doch erst

so richtig menschlich und sympathisch, oder?

Einen guten Tag wünscht Ihnen, Pfarrer Klaus Künhaupt aus Essen.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 23.1.2023
  • Klaus Künhaupt
  • © Foto von Marc Ruaix auf Unsplash
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