Guten
Morgen.
Kennen
Sie das? Ich versuche in Ruhe zu arbeiten und dann werde ich unterbrochen.
Mein
Handy klingelt, der Paketbote läutet, nebenan bohrt jemand ein Loch in die
Wand. Irgendwas ist immer.
Neben
diesen nervigen Störungen gibt es aber auch andere Unterbrechungen: schöne,
heilsame.
Etwa,
wenn mich ein lieber Mensch besucht.
Natürlich
unterbricht er mich auch. Aber eben auf andere Weise.
Er
holt mich raus aus meinem Hamsterrad.
Und
ich nehme mir Zeit: hier und jetzt diesem Menschen zu begegnen.
Heilsame
Unterbrechung. Genau darum geht es auch im Glauben.
Ich
lasse mich von Gott unterbrechen. Trete raus aus dem Alltagstrott.
Und
nehme mir Zeit für das Wesentliche. Eine Zeit der Stille und Einkehr.
Meine
Frau erzählt dazu gerne die Geschichte ihrer frommen Oma:
Wenn sie mittags die Kirchenglocken hörte, unterbrach sie ihre Arbeit.
Die
Kartoffeln blieben für eine Minute ungeschält liegen, sie faltete die Hände.
Und
sie sprach still für sich ein Gebet:
„Danke für das, was mir geschenkt ist. Hilf denen, die Deine Hilfe brauchen.
Vergib,
wo wir einander verletzt haben. Und lass mich ein Segen für andere sein. Amen.“
Danach
ging es mit dem Kartoffelschälen weiter.
Als
ich Pfarrer wurde, gab mir ein älterer Kollege das als Ratschlag mit auf den
Weg:
„Es
ist gut, wenn Du jeden Tag eine halbe Stunde vor Gott darüber nachdenkst, was
Du eigentlich tust. Sonst erhöhst Du nur geschäftig das Tempo, ohne zu wissen,
wohin.“
Heilsame
Unterbrechung. Das beschreibt eine Haltung, die wir meines Erachtens auch
politisch dringend brauchen. Innehalten, die Waffen schweigen lassen. Vor Gott
darüber nachdenken, was wir eigentlich tun.
Und
dem anderen dann als Mitmenschen begegnen. Nicht als Feind oder Konkurrent.
Die
Friedensgebete und Friedensdemonstrationen während des Ukraine-Krieges sind für
mich Momente solch einer heilsamen Unterbrechung.
Auch
wenn sie die Gewalt nicht stoppen. Sie helfen, Feinddenken zu überwinden.
Solch
eine Haltung heilsamer Unterbrechung will geübt sein.
Hier ein paar Dinge, die mir im Alltag dabei helfen.
– Ich
geh in mein Zimmer, schließe die Tür, schalte das Handy aus.
– Ich
setze mich hin, werde still.
Was
bewegt mich im Blick auf das Leiden anderer oder auch auf eigene Sorgen?
–
Manchmal lese ich einen Text aus der Bibel oder singe für mich ein Lied.
Hört
ja keiner außer Gott und mir.
– Oft
schaue ich auch nur aus dem
Fenster.
Was
würde Gott mir raten? Und was sollte ich vor Gottes Angesicht tun?
– Am
Ende bete ich das Vaterunser.
Und
bei allem, was ich nicht begreife, vertraue ich darauf: Wir sind und bleiben in
Gottes Hand.
Gott
wird es am Ende einmal richten. Wie auch immer.
Heilsame
Unterbrechungen. Sie können mir helfen, anders zu leben.
Ihnen
einen gesegneten Tag mit wenigen störenden und vielen heilsamen
Unterbrechungen.
Ihr
Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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