Autor: Guten Morgen und
frohe Ostern!
Christinnen
und Christen auf der ganzen Welt feiern heute Ostern, das Fest der
Auferstehung. Jesus, der Sohn Gottes, hat den Tod besiegt und ist auferstanden.
Das
Markusevangelium berichtet von den Frauen, die Jesu Grab besuchen wollen. Sie
finden das Grab leer und begegnen dort einem Engel. Der sagt:
Sprecherin: Ihr braucht nicht zu erschrecken! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der
gekreuzigt wurde. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, er ist nicht hier.
Seht: Hier ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten. (Mk 16,6, Basisbibel)
Autor: Schon lange vor
der Auferstehung ist den Menschen aufgefallen, dass Jesus ein besonderer Mann
ist. Viele Namen und Ehrentitel werden im gegeben: Gottes Sohn, Meister,
Christus, Herr und Messias. Unter all diesen Titeln finde ich einen besonders schön:
Friedefürst. Jesus soll ein Fürst des Friedens sein, jemand der Frieden bringt.
Oft wird dieser Titel mit Weihnachten verbunden. Der Friedefürst kommt in die
Welt. Zu Ostern passt er mindestens genauso gut. Jesus besiegt den Tod und
bringt Frieden. Eine beruhigende Botschaft, gerade in unruhigen Zeiten. Ob sie
heute noch wirkt?
Musik 1: Some Other Time (Feat. Nils Landgren +
Lars Danielsson)
Komponist:
Wolfgang Haffner; Interpret: Wolfgang Haffner; Album: Shapes; Label: ACT; LC: 85387.
Autor: Der Friedefürst
besiegt Tod, Schmerz und Angst. Die Osterbotschaft, sie ist eine
Friedensbotschaft. Vielleicht ist es gar kein Zufall, dass die Friedensbewegung
sich ausgerechnet zu Ostern formiert. In den 50er- und 60er-Jahren kommt es zu
ersten Ostermärschen. Die Menschen gehen auf die Straße: gegen die nukleare
Aufrüstung und für den Frieden. Für die meisten spielt der Glaube und das
christliche Fest gar keine große Rolle. Und trotzdem scheint die
Friedensbotschaft von Ostern besonders zu wirken.
Musik 1: Some Other Time (Feat. Nils Landgren +
Lars Danielsson)
Autor: In den
80er-Jahren kommt es zu einem Aufschwung der Friedenbewegung in Deutschland.
Mittendrin war damals Barbara Hartmann. Sie ist seit vielen Jahren Presbyterin
in meiner Kirchengemeinde in Köln-Zollstock. Das Presbyterium ist das gewählte
Gremium von Ehrenamtlichen, das die Gemeinde leitet. Für sie ist ganz klar, wie
es damals angefangen hat.
O-Ton: Also, das
wird angefangen haben mit dem Cruise Missile- und Pershing II- Beschluss. Das
die hier stationiert werden sollten und wie die hier aufgebaut werden sollten.
Und da sieht man dann sehr genau, wenn wir hier die ganzen Pershings und Cruise
Missiles hinkriegen, dann sind wir die ersten, die eine Rakete hier
reinkriegen. Dann sind wir die ersten, die weg sind.
Autor: Als ich mich mit
Barbara Hartmann treffe hat sie eine Mappe mit alten Fotos aus der Zeit dabei.
Seit Jahren hat sie die Bilder nicht mehr angeschaut.
O-Ton: Also ich
habe dann jetzt angefangen und habe geguckt. Man hat noch nicht so viel
fotografiert. Das war jemand aus der Gruppe, der war Fotograf und hat selber
entwickelt. Daher die schwarz-weiß Fotos. Die sind etwas mitgenommen, weil die
zum Teil auch an irgendwelchen Plakatwänden hingen.
Autor: Auf den Bildern sehe ich viele Menschen. Auf einigen stehen sie an
Infoständen und verteilen Zettel. Immer wieder ist Barbara Hartmann dabei. Auf einem
Transparent ist eine Karte der Umgebung von Köln zu sehen. Darauf markiert die
geplanten Standorte der Raketen. Besonders eindrücklich ist ein Bild von einer
Kreuzung mitten in Köln-Zollstock. Überall auf dem Bürgersteig liegen Menschen.
Ein „Die-in“, erklärt mir Barbara Hartmann. Dabei legen sich alle wie tot auf
dem Boden. Ein starkes Symbol für die lebensbedrohliche Situation.
Musik
2: Imagine (Nils Landgren)
Text/Komposition:
John Lennon & Yoko Ono; Interpreten: Nils Landgren, Sharon Dyall, Ida Sand,
Jeanette Kohn, Jessica Pilnäs & Johan Norberg; Album: Redhorn Collection,
Label: ACT; LC: 85387.
Autor: Im Gespräch
erzählt mir Barbara Hartmann von damals, von den Treffen mit den vielen
Gleichgesinnten, von Infoständen und Aktionen mitten im Veedel. Ich höre ihr
gebannt zu. Ich selbst bin Jahrgang 1985, zu der Zeit noch gar nicht auf der
Welt. Es ist zu spüren, wie real die Angst der Menschen gewesen sein muss und
wie ungläubig der Blick auf die Entscheidung der Politikerinnen und Politiker.
Friedlichen Demonstranten stehen nicht selten Hundertschaften der Polizei in
voller Rüstung entgegen. Mut und Courage sind hier gefragt. Ich habe großen
Respekt davor.
O-Ton: Am 10.
März 1981 war ja die erste Demo, wo 300.000 im Hofgarten waren. Und da hatten
die in Bonn die gesamten Schaufester mit Spanplatten verbarrikadiert und alles,
weil ja da die Chaoten kamen und alles nur kaputtschlagen wollten. Das hat mich
noch einmal sehr schockiert, weil ich natürlich mit den Leuten, mit denen ich
umgegangen bin, genau weiß, dass wir überhaupt keine Chaoten waren.
Autor: Die Friedensbewegung wollte das Wettrüsten stoppen. Barbara Hartmann und
ihre Mitstreiterinnen wollten zeigen:
O-Ton: …wir haben einfach Angst und deshalb wollten
wir das nicht haben und nicht weil wir da irgendwie einen gewaltsamen Umsturz
haben wollten. … Wir sind als fünfte Kolonne von Moskau dargestellt worden. Das
fand ich sehr schockierend.
Musik
2: Imagine (Fortsetzung)
Autor: Ein biblisches
Bild wird in den 80ern zum Symbol der Friedensbewegung: die Friedenstaube. Die
Taube, die Noah nach der Flut einen Olivenzweig bringt. Sie ist nach der
Sintflut ein Zeichen für den Frieden zwischen Gott und den Menschen.
Oft
finden die Gruppen der Friedensbewegung Kontakt zu Kirchengemeinden. Manchmal
direkt, manchmal auf Umwegen. So hat auch die Kölner Gruppe um Barbara Hartmann
schnell Kontakt zur evangelischen Gemeinde. Regelmäßig berichtet Sie in den
Sitzungen der Gemeindeleitung. Auch der Pfarrer engagiert sich. Ein wichtiges
Zeichen.
O-Ton: Das war
für mich so eine Galionsfigur. Wo ich mich auch habe orientieren können. Wo ich
auch immer habe sagen können: Das ist jemand, da seht ihr doch, das ist nicht
jemand, der irgendwas zerschlagen will. Wir wollen gemeinsam, friedlich für
diese Gesellschaft etwas weitergeben.
Autor: Barbara Hartmann
weiß damals, dass sie etwas tun muss. Der Unfriede treibt sie um und der Wunsch
nach Frieden in der Welt ist ein innerer Antrieb. Ein Antrieb, der auch im
Glauben begründet sein kann. Immer wieder sucht Gott in der Bibel Frieden mit
den Menschen. Er schließt Verträge mit den Menschen. Die Bibel nennt das Bund.
So ein Bund hat Gott mit Noah geschlossen. Die Friedenstaube ist ein Zeichen
dafür. Die Menschen aber schaffen immer wieder Unfrieden und Streit. Gott
schickt schließlich seinen Sohn, Jesus, in die Welt. Er lebt mit den Menschen,
erlebt Unfrieden und stiftet Frieden. Am Ende wird er am Kreuz getötet. Aber
damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Der Friedefürst, der, der Frieden
bringen möchte, steht von den Toten auf.
Friedefürst,
Auferstehung, Osterwunder, Friedenswunder.
Musik
3: Fragile
Komponist:
Sting; Interpret: Nils Landgren; Album: Sentimental Journey; Label: ACT; LC: 85387.
Autor: Wie kann ich es
schaffen, dem Frieden zu dienen? Wie kann ich selbst für Frieden sorgen? Was
kann mich antreiben? Barbara Hartmann hat eine persönliche Antwort …
O-Ton: Dass wir
eine Gemeinschaft hatten, wo wir mit Gleichgesinnten, auch wenn wir
unterschiedliche Diskussionsansätzen hatten, aber, man hatte das Gefühl, es
gibt Leute, die können einen verstehen.
Autor: Frieden geht nur
gemeinsam. Das weiß auch Jesus. Er begibt sich zu den Menschen und sucht die
Gemeinschaft. Mit seinen Jüngern bildet er so etwas wie eine erste Friedensbewegung.
„Liebe deinen Nächsten.“ „Liebe deine Feinde.“ „Liebe dich selbst.“ Das können
ganz schön radikale Forderungen sein. Radikale Forderungen nach Frieden.
„Selig
sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5,9) So sagt
es Jesus in der Bergpredigt im Matthäusevangelium. Die Bergpredigt ist so etwas
wie die zentrale Rede Jesu. Jesus legt die Thora, die fünf Bücher Mose, aus und
stellt seine Lehre dar. Gleich zu Beginn spricht Jesus zu denen, die Frieden
stiften. Ganz eindrücklich zeigt Jesus sein Verständnis weiter hinten in seiner
Rede. Hier legt er alte Gesetzte ganz überraschend aus.
Sprecherin: „Ihr wisst, dass gesagt worden ist: „Auge für Auge und Zahn für Zahn!“
Ich sage euch aber: Wehrt euch nicht gegen Menschen, die euch etwas Böses
antun! Sondern wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm
auch deine andere Backe hin! (…) Wenn dich jemand dazu zwingt, seine Sachen
eine Meile zu tragen, dann geh zwei Meilen mit ihm!“
„Ihr wisst, dass gesagt worden ist: „Liebe deinen
Nächsten“ und hasse deinen Feind! Ich sage euch aber: Liebt eure Feinde! Betet
für die, die euch verfolgen!“ (Mt 5,38-39.41.43-44, Basisbibel)
Musik 4: Over the Rainbow
Komponist: Harold Arlen & E.Y. Harbourg;
Interpret: Chris Botti; Album: Bar Classics 9; Label: Sony Music; LC: 06667.
Autor: Aber 2000 Jahre
nach Jesus gibt es immer noch keinen Frieden auf der Welt. Ganz schön ernüchternd.
Warum ist das so? War alles umsonst? Alle die Menschen, die sich für den
Frieden einsetzen, alles umsonst?
Nein!
Es gibt Frieden auf der Welt. Mehr als so mancher Autokrat und Diktator
wahrhaben will. Die Angst vor Frieden und vor Freiheit treiben die Mächtigen zu
Unfrieden und Krieg. Doch Frieden und
Freiheit setzten sich durch. Das zeigt die Geschichte, das sehe ich jeden Tag
und das ist mir versprochen.
Mahatma
Gandhi, weltweites Vorbild für einen gewaltfreien Widerstand, hat es mal so
formuliert:
Sprecher: Und wenn ich
verzweifle, dann erinnere ich mich, dass durch alle Zeiten in der Geschichte
der Menschheit die Wahrheit und die Liebe immer gewonnen haben. Es gab Tyrannen
und Mörder und eine Zeit lang schienen sie unbesiegbar, doch am Ende
scheiterten sie immer. Denke daran – immer.
Autor: Gott hat es mir
und allen Menschen Frieden zugesagt. Im Bund mit Noah, mit Abraham, mit Jakob
und in Jesus Christus, seinem Sohn, dessen Auferstehung viele heute feiern.
Dieses
Bewusstsein und dieses Gefühlt treibt so viele Menschen immer wieder an, sich
für den Frieden einzusetzen und auf die Straße zu gehen.
In
diesem Jahr ganz besonders. Jedenfalls rechne ich damit, dass die Ostermärsche
starken Zulauf haben werden.
O-Ton: Und das
sind Erlebnisse, wo man zumindest dieses Gefühl hat, man kann was machen.
Dieses Gefühl, dass man wenigstens versucht hat, Informationen weiterzugeben.
Sich nicht alleine gelassen gefühlt hat mit seiner Meinung und mit seinen
Ängsten, das finde ich, ist etwas, dass immer ganz wichtig ist.
Autor: Ostern als
Friedensfest; der Gedanke gefällt mir. Sich für den Frieden einsetzten. Die
Feiertage und das Fest nutzen, um auf die Straße zu gehen. Der Auslöser der
Ostermärsche hat sich in den Jahrzehnten geändert: Nukleare Bedrohung, Kalter
Krieg, Raketen vor der Haustür, Unterdrückung, Zerstörung der Schöpfung, und
jetzt: der Krieg in der Ukraine. Das Ziel aber bleibt das gleiche: Frieden!
Der
Austausch mit anderen, das gemeinsame Eintreten für das was zählt, gibt Kraft
und Mut. Das war auch bei Barbara Hartmann so. Sie erinnert sich an die
Gespräche in der Kirchengemeinde und mit dem Pfarrer:
O-Ton: Der hat
mir wirklich in dem Gespräch nochmal viel Mut und Halt gegeben, dass ich in
meinem Glauben eine Standfestigkeit nochmal gekriegt habe. Und sehen konnte,
auch in der Kirche sind alle Teile unserer Gesellschaft. Jede Person, jede
Persönlichkeit findet sich da wieder.
Musik
4: Over the Rainbow
Autor: Für den Frieden
eintreten, das ist nicht nur etwas für die Mächtigen. Nicht nur für Konferenzen
und Verhandlungstische. Das hat Jesus mir gezeigt. Er war alles andere als
mächtig. Ein einfacher Mann, Wanderprediger, Freund der Menschen, Friedefürst. Ein
König, der auf einem Esel, nicht auf einem Streitross in die Stadt reitet. An
ihm nehme ich mir gerne ein Vorbild und folge seinem Weg zum Frieden. An ihm
erkenne ich, dass auch ich etwas tun kann. Auf die Straße gehen und meine
Stimme erheben. Und damit bin ich nicht alleine. Überall auf der Welt setzten
sich Menschen für den Frieden ein. Russen und Ukrainer gehen gemeinsam auf die
Straße; Hand in Hand für den Frieden. In Russland demonstrieren Menschen unter
der Gefahr von Strafe und Verfolgung. In Kirchen finden Friedenkonzerte und
Friedensgebete statt. All das ist Nachfolge, Nachfolge Jesu, dem Friedefürsten.
Menschen
setzen ein Zeichen für den Frieden, auch und gerade an Ostern.
O-Ton: Ich denke,
da wird sich auch was tun wieder. Ja, das denke ich schon. Das war ja schon zu
sehen, wo jetzt statt Rosenmontagszug dann eben 250.000 einfach draußen waren
und gelaufen sind und sich einfach mit der Ukraine solidarisiert haben und
versucht haben, ein Zeichen zu setzten. Es sind alles nur Zeichen, aber ich
denke, diese Zeichen sind wichtig.
Autor: Solche Zeichen kommen an, auch in der Ukraine. Und vielleicht
nach und nach auch in Russland. Ob Rosenmontag oder Ostern, ob Marsch oder
Sparziergang, ob Pappnase oder Transparent, … wir leben hierzulande in
Freiheit. Nutzen wir sie, um ein Zeichen zu setzen.
Frohe
Ostern und Frieden wünscht Ihnen Pfarrer Oliver Mahn aus Köln.
Musik 5: Waiting on the World to Change
Text/Komposition:
John Mayer; Album: Continuum; Label: Sony Music; LC: 06667.
Redaktion: Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth