Nicht stark – stärker!

Das geistliche Wort | 17.07.2022 | 00:00 Uhr

Musik 1: Salomon

Titel: Salomon; Album: Kosmos; Komposition: Hans-Peter

Ströer, trad.-Bibeltext; Bearbeitung: Lindenberg, Königstein; Label: Universal

Music GmbH; LC: 97777.

Autor

(overvoice): „kommt doch, ihr Winde, durchweht meinen Garten!“ Ein Frauenchor singt auf Hebräisch. Es ist ein biblischer Text aus dem

Hohen Lied der Liebe im Alten Testament, der hebräischen Bibel. Udo

Lindenberg hat diese Worte über die Liebe vertont.

Am Abend, wenn es

kühl wird und alle Schatten fliehen, dann komm zu mir, flink wie die Gazelle,

die in den Bergen wohnt.

Einer Schale, der

niemals edler Wein fehlen soll gleicht dein Schoß, süßes Mädchen. Die Liebe ist

stark wie der Tod und ihr Eifer ist fest wie die Hölle.

Kommt doch, ihr

Winde durchweht meinen Garten …“

Autor: Die Liebe ist

stark wie der Tod. Im biblischen Buch „Hoheslied“ taucht dieser Satz auf. Stark

wie der Tod? Dann ist die Liebe eine unwiderstehliche Kraft. Kaum ein Satz

berührt mich mehr. Ich glaube nämlich, dass in diesem Satz die ganz biblische

Wahrheit aufgehoben ist. Gott selbst nimmt es mit allen Mächten auf – sogar mit

dem Tod. Diese Kraft ist die Liebe. Udo Lindenberg umkreist in seiner Musik und

in seinen Texten diese Wahrheit – immer wieder: Liebe sprengt all die Mauern,

die die Menschen voneinander trennen.

Auch

die ganz handfesten. 1973 – da steht die deutsche Mauer schon 12 Jahre – und

hat unendlich viel Leid gebracht. Udo Lindenberg singt von dem Mädchen aus

Ost-Berlin.

Musik 2: Mädchen

aus Ostberlin

Titel: Mädchen aus Ostberlin; Album: Udopium 1, Track

6; Text und Musik: Udo Lindenberg; Label: Warner Music Group Germany; LC 14666.

Mädchen aus

Ost-Berlin, das war wirklich schwer.// Ich musste gehen, obwohl ich so gerne

noch geblieben wär. // Ich komme wieder und vielleicht geht’s auch mal ohne

Nerverei’n // da muss doch auf die Dauer was zu machen sein.

Autor: Auf Dauer was

machen? Liebe braucht Treue. Ein Dranbleiben, Vertrauen, Weitermachen. Udo

Lindenberg hat immer wieder etwas unternommen, geschrieben, gesungen, um über

diese deutsche Mauer hinweg zu kommen – er hat nicht nur diese wunderschöne,

traurige Ballade gesungen – von einer Liebe, die sich nicht vollenden kann. (Musik)

Zehn Jahre später, 1983 spricht er mit einer Swingparodie den

Staatsratsvorsitzenden Erich Honnecker direkt an. Im Sonderzug nach Pankow

rockt das Panikorchester die Mauer.

Musik 3: Sonderzug

nach Pankow

Titel: Sonderzug nach Pankow; Album: Udopium 2; Track

14; Musik: H. Warren, M. Gordon; Text: Udo Lindenberg; Label: Warner Music

Group Germany; LC 14666.

Entschuldigen

Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow // Ich muß mal eben dahin, mal eben nach

Ost-Berlin. Ich muß da was klären, mit eurem Oberindianer // Ich bin ein

Jodeltalent, und ich will da spielen mit ?ner Band

Ich hab’n

Fläschchen Cognac mit und das schmeckt sehr lecker //Das schlürf? ich dann ganz

locker mit dem Erich Honecker. Und ich sag: Ey, Honey, ich sing‘ für wenig

Money //Im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst

All die ganzen

Schlageraffen dürfen da singen //Dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage

bringen. Nur der kleine Udo – nur der kleine Udo //Der darf das nicht – und das

verstehn wir nicht

Ich weiß genau,

ich habe furchtbar viele Freunde // in der DDR und stündlich werden es mehr.

Och, Erich ey, bist Du denn wirklich so ein sturer Schrat //Warum lässt Du mich

nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat?

Ist das der

Sonderzug nach Pankow?

Autor: Das ist die Liebe

– sie ist frech, sie ist witzig – sie ist subversiv. Eigentlich ist klar, dass

nach der Veröffentlichung dieses Liedes ein Auftritt in der DDR unvorstellbar

geworden ist. Aber allen Unkenrufen zum Trotz gelingt es, – durch sehr

geschicktes Verhandeln im Hintergrund: Udo Lindenberg tritt noch im selben

Jahr, im Oktober 1983 bei einem internationalen Friedensfest im Palast der

Republik in Ostberlin auf. Das Thema Frieden passt in die politische Landschaft

der DDR-Granden. Im Vorfeld ist versprochen worden, dass 1984 das Panik –

Orchester eine Tournee durch die DDR machen könne. Allerdings geraten die Fans,

die im Oktober 83 vor dem Palast der Republik auf Udo Lindenberg warten, derart

in Ektase, als sie ihren Rockstar sehen, dass es den Machthabern in der DDR zu

mulmig wird. 50 Fans werden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Die

Funktionäre ziehen ihre Zusage für eine Tournee zurück. Es braucht dann noch

einmal 7 Jahre bis Udo auf dem Boden der DDR auftreten kann. Im Januar 1990, 2

Monate nachdem die Mauer gefallen ist, in Suhl im Thüringer Wald: 3.200 Leute

im Saal, 3000 davor – und jede Zeile eines Liedes wird von den Fans

mitgesungen. Ein Fan aus diesem Konzert meint: Er hat unsere Mauer mitgeknackt!

(aus: Udo – Udo Lindenberg mit Thomas Hüetlin, Köln 2019, S. 262)

Musik 3:

Sonderzug nach Pankow

Autor: Aber was, wenn

nicht andere die Mauer bauen – sondern, wenn ich selbst eine Mauer um mich

herum aufziehe? Kann gut sein, dass ich selbst die Mauern um mich herum ziehe,

die Schotten dicht mache – bloß keinen Zutritt mehr gestatte – wie in der

verbotenen Stadt. Eine Enttäuschung, eine Erschütterung, die ich erlebt habe –

die kann so groß sein – so groß…! – davor kann ich mich nur durch klare

Abgrenzung schützen, damit es ja nicht noch einmal passiert. Und doch sehne ich

mich, aus dieser selbstgebauten Ummauerung herauszukommen

Musik 4: Verbotene

Stadt

Titel: Verbotene Stadt; Album: Stark wie zwei, Track

13; Musik: Till Bröner; Text: Angelina Maccarone, Doris Decker; Label: Warner

Music Group Germany; LC 14666.

Nimm den Pfeil

aus meinem Herzen, es darf dir nicht gehör’n // Nimm deinen Mund von meinem

Ohr, will keine süßen Schwüre schwör’n. // Versuch nicht mich zu finden und ruf

mich nicht mehr an. // Wenn ich deine Nummer wähle, dann geh‘ bitte nicht ran.

Denn ich bin auf der Flucht vor mir selbst so weit weggerannt. // Und alles was

ich fühle hab‘ ich ganz weit weg verbannt.

Verbotene Stadt.

Alle Tore sind versperrt und streng bewacht. Die Mauern zehn Meter hoch aus

Stein. // Seit vielen Jahren kam kein Mensch hier rein. …

Autor: Die Mauern zehn

Meter hoch aus Stein…?! Bei Udo Lindenberg ist eine dieser selbstgebauten Mauern

der Alkohol gewesen. Es gab Zeiten, in denen er nicht gerade auf der Bühne

stehen konnte. Während einer großen Tournee, die Udo Lindenberg „Dröhnland –

Symphonie“ genannt hatte, stirbt seine Mutter. Zu ihr hatte er immer ein

inniges Verhältnis bewahrt. Dieser Tod ist ein Schock. Er flieht nach New York

ins Hotel Waldorf und schafft es nicht, sich dort von seiner Depression zu

befreien – im Gegenteil. Der ungebremste Alkoholkonsum lässt ihn im wahrsten

Sinn des Wortes weiße Mäuse sehen – und auf einmal findet er sich auf dem

Fensterbrett des Hotels wieder.

„Pass

auf dich auf, sei ein guter Junge!“ Das ist der letzte Satz, den die Mutter

Hermine am Sterbebett ihrem Udo gesagt hatte. Ob es die Erinnerung an diesen

Satz war…?! Auf jeden Fall ist er damals nicht gesprungen – das ging nicht!

Die

Mauern, die man um sich selbst gezogen hat, die kann man nicht selbst

einreißen. Da kann nur jemand mit sehr viel Mut und Ausdauer von der anderen

Seite immer wieder gegen diese Mauer angehen, sie untergraben, subversiv sein,

sie nach und nach mit viel Energie zum Einsturz bringen. Diese Energie ist die

Liebe. Die Liebe möchte nämlich, dass man hier bleibt – nicht abhaut!

Musik 4: Verbotene

Stadt

Verbotene Stadt

// Alle Tore sind versperrt und streng bewacht // die Mauern 10 Meter hoch aus

Stein// Seit vielen Jahren kam kein Mensch hier rein // Verbotene Stadt.

Hier hab ich auf

dich gewartet Tag und Nacht //Nur du kannst mich aus diesem Bann befrei‘n //

Reiß die Mauern nieder, tritt die Türen ein. // Und ich will bei dir sein, nie

mehr allein // in der Verbotenen Stadt.

Autor: Die Liebe ist

stark – stark wie der Tod?! Udo Lindenberg hatte in New York Freunde dabei. Er

ist rausgekommen aus der selbstgebauten Ummauerung!

Aber

eine enge Freundin aus dem Umfeld von Udo Lindenberg – sie ist mit zu viel

Tabletten und Alkohol ins Nichts gesprungen. Gabi Blitz hat sie sich genannt –

sie war lange Jahre eine treue Freundin, Sekretärin, Unterstützerin im

schrillen Kosmos von Udo Lindenbergs Panik – Panorama – aber auf einmal ist sie

tot – für sie schreibt er eine seiner großen Balladen: 0.30

Musik 5: Horizont

Titel:

Horizont; Album: Phoenix; Text und Musik: Udo Lindenberg; Label: Warner Music Group Germany; LC 14666.

Wir warn so

richtig Freunde / für die Ewigkeit, das war doch klar. Haben die Wolken nicht

gesehn am Horizont / bis es dunkel war. Und dann war’s passiert / hab‘ es nicht

kapiert, / ging alles viel zu schnell. Doch zwei wie wir, / die dürfen sich nie

verliern.

Hinterm Horizont

geht’s weiter / ein neuer Tag. Hinterm Horizont / immer weiter / zusammen sind

wir stark.

Das mit uns ging

so tief rein. das kann nie zuende sein. So was Großes geht nie einfach so

vorbei.

Autor:

Die

Liebe ist stark wie der Tod. Schon jetzt, mitten im Leben, gibt es nichts, was

stärker ist. Das gilt auch unter Freunden. Anrufen, vorbeikommen, reden – mit

manchen ist das jeder Zeit möglich, sagt Udo Lindenberg, auch wenn’s nachts um

vier ist. Auf Freunde muss man sich verlassen können. „Durch die schweren

Zeiten“ besingt eine solche Freundschaft. Was mit dem andern los ist, erfährt

man nicht so genau. Die Träume aufgebraucht, am Glück vorbeigerauscht – irgendwas

zieht ihn runter. Da ist eine Last auf den Schultern, schwer wie Blei. Und

jetzt? Udo Lindenberg verspricht nur eins: Ich bin da. Ich zieh dich wieder

hoch. Wir finden einen Weg – so wie jedes Mal.

Musik

6: Durch die schweren Zeiten

Titel:

Durch die schweren Zeiten; Album: Stärker als die Zeit; Track 1; Musik: Ali

Zuckowski & Simon Triebel; Text: Udo Lindenberg; Label: Warner Music Group Germany; LC 14666.

Ich

trag‘ dich durch die schweren Zeiten / So wie ein Schatten / werd‘ ich dich

begleiten / Ich werd‘ dich begleiten / Denn es ist nie zu spät um nochmal

durchzustarten / Wo hinter all den schwarzen Wolken wieder gute Zeiten warten

Autor: Menschen, die

glauben, erleben das oft genauso mit Gott. Dass er da ist zu jeder Tag- und

Nachtzeit. Wie der beste Freund. „Der dich behütet, schläft nicht,“ sagt ein

Psalmbeter. Wenn es um eine Verbindung geht, auf die man sich verlassen kann,

ist schnell eine geistliche Dimension berührt.

Gute

Freundinnen und Freunde, die eigene Familie… Udo Lindenberg fühlt sich

verbunden. Auch mit anderen Musikern. In seinen Konzerten erwähnt er immer

wieder Menschen, die schon gestorben sind, die für ihn aber wichtig bleiben.

Zum Beispiel die Musiker: David Bowie, Lemmy, Lou Reed, Prince (Udo Lindenberg – Bunte Republik Deutschland

LIVE (offizielles Musikvideo) – YouTube ) und er meint, dass die da oben eine geile

Band am Start haben. Aber auch seine Eltern, Gustav und Hermine Lindenberg –

auch sie werden nicht vergessen. Seinen Eltern hat er zwei Alben gewidmet und

seinem verstorbenen Bruder das Lied „Stark wie zwei“. Wenn Udo Lindenberg auf

seinen Konzerten die Erinnerungen an Leute inszeniert, die seine

Konzertbesucher gar nicht kennen können, dann kommt es mir so vor, als erzählte

er noch etwas anderes – nämlich, dass die Liebe, die Sehnsucht zusammen zu

sein, stärker ist als der Tod. Der Tod wird das nicht auslöschen können.

Ob

Udo Lindenberg weiß, dass er damit die uralte, christliche Hoffnung

mobilisiert? Liebe – sie ist nicht nur stark wie der Tod – sie ist stärker. Für

die Christen gründet sich diese Hoffnung auf die Auferstehung Jesu von den

Toten. Und für Udo Lindenberg? In einem Interview hat er es so umschrieben:

Sprecher: Immer habe ich versucht, das höhere Ding zu finden, was für alle

Menschen, unabhängig von Religion, Nation oder Gesellschaftsgefüge verbindlich

sein kann, eine Wertewelt für alle, an der sich alle orientieren können im

Sinne des Zusammenfindens der Planeten – Gemeinschaft“ (aus: Udo Birnstein,

Alles klar, Udo Lindenberg, 2022, S. 119)

Autor: Das

Zusammensein, das Zusammenfinden – trotz aller Widerstände – das ist und bleibt

sein Thema. Kein Wunder, dass Udo Lindenberg gerade auch in den letzten Monaten

immer wieder mit seinen friedenspolitischen Liedern und Stellungnahmen in der

Öffentlichkeit präsent ist.

In

einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten zeigt er sich überrascht, dass

sein Song "Wozu sind Kriege da" aus dem Jahr 1981 wieder so aktuell

ist. Denn da geht es um den kalten Krieg. "Wir spielen seit über 40 Jahren

den Song, der heute wieder von erschreckender Aktualität ist", so

Lindenberg.

Musik 7: Wozu

sind Kriege da?

Titel:

Wozu sind Kriege da? Album: Udopium – Das Beste, CD 2, Track 13; Text und Musik: Udo

Lindenberg; Label: Warner Music Group Germany; LC 14666.

Keiner will

sterben, das ist doch klar / Wozu sind denn dann Kriege da? / Herr Präsident,

du bist doch einer von diesen Herren /Du musst das doch wissen //Kannst du mir

das mal erklären? / Keine Mutter will ihre Kinder verlieren / Und keine Frau

ihren Mann./ Also warum müssen Soldaten losmarschieren/ Um Menschen zu ermorden

– mach mir das mal klar / Wozu sind Kriege da?

Autor: Und weiter meint

er: Den Krieg in der Ukraine, mitten in Europa, hätte sich niemand mehr

vorstellen können. Es dürften aber auch die anderen Kriege, etwa im Jemen,

Sudan oder in Syrien nicht vergessen werden – so Udo Lindenberg. Die Grundlage

von all der Sehnsucht nach Frieden, nach Zusammensein ist aber ganz

persönlicher Art – und die besingt er auch so – ganz persönlich:

Musik 8: Stärker

als die Zeit

Titel:

Stärker als die Zeit; Album: Stärker als die Zeit, Track 15; Musik: Nino Rota,

Text: Lawernce Kusik; deutsch: Udo Lindenberg; Label: Warner Music Group

Germany; LC 14666.

So wie der Sturm,

so wie die Flut // nichts hält uns auf, wir sind ein Blut. Unsre Familie,

kannst’e sicher sein, das bleibt, // denn wir sind stärker als der Tod und als

die Zeit. Ewiges Band, das nie zerreißt / und alles, was ich will ist, dass du

das auch weißt. Und alles, was ich will ist, dass du das auch weißt.

Autor: Sehr persönlich

und doch mit erheblichen Folgen für das politische und gesellschaftliche Denken

und Entscheiden – so empfinde ich diese Worte und diese Musik von Udo

Lindenberg.

Einen

erfüllten Sonntag wünscht ihnen

Eberhard

Helling, Pfarrer aus Lübbecke

Musik 8

Ich nehm die

Sonnenbrille ab, check den Moment // wenn eine Seele die andere erkennt. Du

spürst sofort – und das ist gut / wir sind Familie, sind ein Clan, wir sind ein

Blut. // Wir sind ein eingeschwornes Team und darauf kommt’s an// wir gehen

Wege , die kein anderer gehen kann // wie’n Pionier, wie’n Astronaut; wir gehen

dahin, wohin sich sonst kein anderer traut.

So wie der Sturm,

so wie die Flut // nichts hält uns auf, wir sind ein Blut.

Wir sind der

Stoff, aus dem dir großen Träume sind. // Wir sind der Joker in der Tasche, der

gewinnt. // ich zünd ihn an, unsern Vulkan // das Feuer lodert hoch bis in die

Sternenbahn.

Redaktion: Landespfarrer

Dr. Titus Reinmuth

  • 17.7.2022
  • Eberhard Helling
  • (Kirche im WDR)