Mein Gott, wie bin ich hier bloß
hingeraten? Wie hab‘ ich das nur geschafft?
Als ich in diesem Wald lag,
da hab‘ ich echt nicht gewusst, ob ich das packe. Ich bin ja ganz allein
gewesen und meine Wunde hat so unglaublich wehgetan. Diese blöde Kugel, die
mich erwischt hat! Aber jetzt liege ich hier in diesem Behelfsbett und der Doktor
meint, die Operation wäre gut verlaufen. „Sie werden’s überleben“, hat er
gesagt und war dann sofort wieder weg. Total in Eile.
„Sie werden’s überleben.“
Mein Gott, was für ein Satz! Wie ein riesengroßes Versprechen. Ich mein‘, ich hab‘
immer noch Schmerzen und fühl‘ mich total platt. Aber wenn das wahr ist, dann
komme ich wieder nach Hause. Zu meiner Familie und meinen Kindern. Ich kann das
überhaupt noch nicht richtig glauben. Deswegen muss ich mich immer an diesen
Satz klammern, muss mich an ihn erinnern, sage ihn manchmal sogar halblaut vor
mich hin: „Sie werden’s überleben.“
Mein Gott, was hätte ich für
diesen Satz gegeben, als ich im Wald lag. Und zum ersten Mal seit Jahren wieder
mit dir gesprochen habe. Wo ich nicht sicher war, ob ich jemals wieder mit
einem Menschen reden könnte. Hast du mir da wirklich zugehört, Gott? Hast du
dich echt meinem Stöhnen, meinen Schmerzen und meiner Angst ausgesetzt? Hast du
mich da ‘rausgeholt? Hast du dafür gesorgt, dass ich gerettet worden bin?
Ich mein‘, die Fragen hast du
nicht beantwortet, die ich dir gestellt habe. Warum dieser Krieg überhaupt sein
muss. Und was ich dabei zu suchen habe. Warum ich da liegen muss, in diesem
Wald, mit dieser Kugel in mir. Ich weiß immer noch nicht, warum die mich hat
treffen müssen, nachdem alle anderen vorher immer an mir vorbeigeflogen sind.
Aber vielleicht ist es auch zu viel verlangt, alles wissen zu wollen. Alles
erklärt zu kriegen. Vielleicht ist die Erfahrung wichtiger, dass du da bist,
Gott. Selbst in diesem grauseligen Krieg, da, wo geschossen, gebombt, verletzt
und gestorben wird. Diese Erfahrung hab‘ ich nun gemacht, Gott. Als ich dachte:
„Hier geht’s nicht mehr weiter. Aus diesem Wald kommst du nie wieder ‘raus.“ Da
bist du da gewesen. Und jetzt bin ich ‘raus aus diesem Wald.
Keine Ahnung, wie du das
gemacht hast, Gott. Dass ich rechtzeitig gefunden worden bin. Früher hätt‘ ich
von Zufall gesprochen oder Glück. Aber jetzt sind mir diese Begriffe zu klein.
Zu klein für meine Erleichterung. Meine Dankbarkeit und meine Hoffnung, dass
das Leben weitergeht. Vielleicht irgendwann sogar wieder halbwegs normal. Du
bist mehr als Zufall oder Glück, Gott, viel mehr. Denn du bist da, wie ein
echtes Gegenüber. Darauf werd‘ ich mich einstellen in meinem weiteren Leben.
Redaktion: Pastorin
Sabine Steinwender-Schnitzius