Guten
Morgen!
Abgeschickt!
Ich habe es in der vorgegebenen Zeit geschafft! Ich blicke von meinem Handy auf. In den
letzten Minuten habe ich mit Feuereifer einen Internet-Link an zwanzig meiner
Kontakte geschickt. Das war die Voraussetzung für meinen Gewinn. Ich habe
diesen Link von einer Freundin erhalten. Er versprach nach einem kleinen Spiel
den Gewinn eines üppigen Präsentkorbes – gefüllt mit süßen Köstlichkeiten der
Firma mit der lila Kuh. Nun musste ich den Link an zwanzig Kontakte in einer
bestimmten Zeit schicken und meine Kontaktdaten eintragen – dann würde mir das
süße Paket frei Haus geliefert, hieß es.
Und
ich habe es geschafft!
Leider
währt meine Freude nicht mal eine Minute. Einer meiner Kontakte macht mich
umgehend darauf aufmerksam: Vorsicht Täuschung. Gib auf keinen Fall deine
Kontaktdaten bekannt. Nicht mitmachen! Meine Vorfreude verwandelt sich
schlagartig in Entsetzen – Reingefallen! Ich beginne hastig, die noch nicht
abgerufenen Nachrichten zu löschen, um nicht noch andere mit in die Falle zu
locken.
Während
ich das tue, fällt mir der kluge Ausspruch des Apostels Paulus ein: „Prüft aber
alles und das Gute behaltet.“ (Die Bibel; 1. Thessalonicher 5,21) Natürlich
hatte Paulus bei diesem Rat etwas anderes vor Augen als mein aktuelles Problem.
Ihm ging es um die Frage, auf welche Weise man den christlichen Glauben richtig
ausübt. Die Gemeinde in Thessalonich war neu entstanden – verschiedene
Glaubensvorstellungen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen kamen hier
zusammen. Es stellte sich die Frage, wie man den christlichen Glauben nun
konkret leben und ausdrücken kann. Statt sich sofort gegen andere
Ausdrucksformen abzugrenzen, bleibt Paulus gelassen und gibt den Rat: „Schaut
euch erst mal alles an und bleibt aufgeschlossen für Neues. Versucht zu verstehen,
was mit der ein oder anderen Glaubenspraxis gemeint ist. Prüft alles. Und wenn
sich etwas als gut erweist, dann behaltet es. Wenn ihr aber etwas Schlechtes
erkannt habt, dann wendet euch davon ab.“ Mir gefällt diese gelassene,
vorurteilsfreie Haltung des Paulus. Und dennoch ist sie nicht beliebig. Man
soll prüfen – sich die Dinge genau anschauen. Das ist ein guter Rat für die
Ausübung des eigenen Glaubens, das ist aber auch ein nützlicher Rat für alle
Fragen des Alltags.
Etwas
zu prüfen heißt aber auch, zu erkennen, was schlecht oder lebensfeindlich ist. Auch
das gilt im Glaubensleben wie im Alltag. Darum ist es wichtig, sich die Zeit zum
Prüfen zu nehmen.
Inzwischen
habe ich fast alle versendeten Links gelöscht und ärgere mich noch immer, so
überstürzt gehandelt zu haben. Hätte ich mir die Zeit zum Prüfen genommen, dann
hätte ich die Täuschung erkannt. Das hätte mir Zeit und Ärger erspart.
Inzwischen
habe ich weitere Rückmeldungen erhalten. Anscheinend haben sich außer mir alle
die Zeit genommen, das Angebot mit dem gefälschten Gewinnspiel zu überprüfen.
Ich
entschuldige mich und erhalte zum Glück verständnisvolle und aufmunternde
Antworten zurück.
Auf
meinem Schreibtisch steht nun fettgedruckt der Rat des Apostels Paulus:
Prüft
aber alles, das Gute behaltet!
Dass
wir heute mit offenem Herzen und prüfendem Blick durch den Tag gehen,
wünscht sich Ihre Johanna Krumbach, Pfarrerin in Augustdorf.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58330_WDR3520220617Krumbach.mp3