Kinderweisheit

Kirche in WDR2 | 14.01.2023 | 00:00 Uhr

Als Gott nach sechs Tagen die Welt erschaffen hatte, staunte er

über sich selbst. Alles schien gut gelungen! Sehr gut sogar.

Jedenfalls war das sein Fazit nach der ganzen Maloche. Er

genehmigte sich daraufhin einen siebten Tag, um auszuruhen. Diese Idee von

einem freien Tag gefiel ihm so gut, dass er ihn segnete und für heilig

erklärte.

Zu seiner Zeit schien das Verhältnis von kreativem Schaffen und

Staunen, von Arbeiten und Ausruhen noch stimmig zu sein. Ganz ohne

Gewerkschaft. Heute leben wir in anderen Zeiten. Wer

kann schon nach der Arbeit staunen und gut finden, was er tagsüber fabriziert

hat? Ich bin abends eher kaputt. Und wenn ich sonntags am Rechner sitze, ist

nichts mehr übrig von einem „gesegneten“ oder irgendwie „heiligen“ Tag.

Vor vielen Jahren hörte ich ein Kind sagen:

„Gott ist der Schöpfer. Wir sind die Erschöpften!“ Großartig! Die

Kinderweisheit bringt es auf den Punkt: Wir sind aber nicht erschaffen worden,

um erschöpft zu sein. Bestenfalls sind wir erschaffen worden, um selbst kreativ

zu werden: bei unserer Arbeit, in unseren Beziehungen, im Umgang mit dem, was

uns anvertraut ist oder mit uns selbst. Irgendwie klappt das alles nicht so

richtig. Erschöpft zu sein, ist heute kein Ausnahmezustand, sondern eine Existenzform.

Jedenfalls erlebe ich viele in meinem Bekanntenkreis durchgängig fertig und

kaputt. Und mir geht´s oft ähnlich.

Den Gewerkschaften haben wir die 5-Tage-Woche zu verdanken. Ganz

ohne den Schöpfer. Wobei – der hätte vielleicht auch an zwei freien Tagen Spaß

gehabt. Wir aber erleben eher Stress als Spaß. Wer hat eigentlich etwas von

dieser Entwicklung? Arbeitgeber haben sicher nichts gegen eine hohe

Leistungsbereitschaft und Selbstausbeutung. In vielen Berufen ist der Druck

bekanntlich enorm. Manchmal mag der Stress auch der Karriere oder dem eigenen

Ego dienen. Der Familie, dem Freundeskreis, der Freude am Leben, der eigenen

Kreativität nutzt es sicher nicht.

Am Ende der Woche bzw. zu Anfang des neuen Jahres meine kreative

Idee: Wir versuchen es mal wie Gott! Der staunte über sich selbst, freute sich

über sein Tun und genehmigte sich: Zeit. Wenn wir „Erschöpften“ das auch so

hinkriegen, werden wir vielleicht erkennen, dass noch ganz andere Dinge in

unserem Alltag wertvoll sind.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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  • 14.1.2023
  • Erhard Ufermann
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