Autor: Er stellt das
Tintenfass auf den Schreibtisch und legt Papier und Feder daneben. Dann öffnet
er das Fenster und schaut hinaus. In den
Gärten blühen die Fruchtbäume und die
Sonnenstrahlen funkeln durch das zarte Grün der Blätter. Die Balkone sind geschmückt
mit Hortensien und Stiefmütterchen und an den Feldern leuchtet der Klatschmohn.
Und das Wintergetreide auf den Feldern taucht die Landschaft in ein sattes
Grün. Auf den Giebeln der Dächer singt die Amsel ihr Lied.
Dann hört man in der Ferne Kanonendonner.
Ob sich die Soldaten nähern? Nachdem der Mann lange hinausgeschaut hat, nimmt er
die Feder in die Hand und beginnt zu schreiben:
Musik 1: Choral, Strophe 2
Schönster Herr Jesu (für gemischten Chor);
Komposition und Text: Heinrich August Hoffmann von Fallersleben; Interpret: Vocal
Concert Dresden; Leitung: Kopp, Peter; Label: BERLIN Classics; LC: 06203.
Sprecherin (overvoice)
2. Schön sind die
Wälder, schöner sind die Felder in der schönen Frühlingszeit; Jesus ist
schöner, Jesus ist reiner, der mein traurig Herz erfreut.
Autor: Münster 1660.
Dort findet sich auf einem Manuskriptheft die erste Niederschrift eines Liedes,
das später im Münsterischen Gesangbuch Eingang
findet. Es trägt den Titel: „Suspirium ad Jesum“ ‚Seufzer zu Jesus‘. Während
draußen der Frühling einkehrt und die Natur in vielen Farben erblüht, erlebt der
uns unbekannte Verfasser eine unruhige Zeit. Die Stadt Münster befindet sich seit
Jahren im Kampf mit dem Fürstbischof und wird mehrmals belagert. Dass die Natur
erblüht und Menschen sterben, liegt dicht beieinander. Wahrscheinlich gehört
der Verfasser zum Orden der Jesuiten. Einer Kommunität, in deren Frömmigkeit
die Gegenwart Jesu im Alltag bis heute eine wichtige Rolle spielt. Der
Liederdichter blickt auf eine Welt voller Spannungen – und sein Herz findet Trost
bei Jesus.
Auch
heute kann ich draußen viel Schönes entdecken. Die wunderbare Pracht der
Schöpfung Gottes. Dann staune ich über alles, was blüht, und freue mich an der
Schönheit der Natur. Dennoch überkommt mich immer wieder auch ein Gefühl der
Trauer. Dann erinnere ich mich an den Verlust eines Freundes und Kollegen. Der
viel zu früh gestorben ist. Mitten aus dem Leben gerissen wurde. Und der Blick
ins Internet, dem modernen Fenster in die Welt, füllt meine Gedanken wieder mit
traurigen Bildern eines blutigen Krieges in der Ukraine. Soldaten, die ihr
Leben lassen. Ungezählte Menschen, die auf der Flucht sind.
Aber wo
findet sich ein hoffnungsvoller Blick auf diese Welt?
Musik 1: Strophe
3
Sprecherin (overvoice):
3.
Schön leucht der Monde, schöner leucht die Sonne, als die Sternlein allzumal.
Jesus leucht schöner, Jesus leucht reiner als die Engel im Himmelssaal.
Autor: Es ist der Blick
nach oben, der in der Dunkelheit der Zeit nach Licht sucht.
Ein
Blick, der den Himmel sucht. Dort, so glauben es Christen auf der ganzen Welt,
sitzt der auferstandene Christus und regiert.
Ein Ort, wo es keine Grenzen mehr gibt. Keine Mauern und
Belagerungswälle. Nichts, was Menschen voneinander trennt.
Die
Geschichte dieses Liedes nimmt uns mit auf einen Weg, der Grenzen überwindet. Ganz
konkret, hier auf Erden. Ländergrenzen und sprachliche Grenzen. Als
schlesisches Volkslied reist es mit einer neuen Melodie nach Dänemark – in die
dänische Stadt Soro. Es ist Frühling. Wir schreiben das Jahr 1850. Der Dichter
Bernhard Ingemann erwartet einen deutschen Freund mit seiner Tochter. Der Besuch
hat ein Lied mitgebracht, dessen Melodie und Text den dänischen Dichter berühren.
Musik
2: Choral, Strophe 4
Schönster Herr Jesu (für gemischten Chor);
Komposition: Denhoff, Joachim; Text: Spee, Friedrich; Interpret: Collegium
Vocale Köln; Leitung: Fromme, Wolfgang; WDR-Eigenproduktion; LC: Z2323.
Sprecherin (overvoice)
4.
Schön sind die Blumen, schöner sind die Menschen in der frischen Jugendzeit; sie
müssen sterben, müssen verderben: Jesus bleibt in Ewigkeit
Autor: Im Sommer des
Jahres sind Soldaten durch die Stadt Soro marschiert. Es wütet der Schleswig-Holsteinische
Krieg in Dänemark und Deutschland.
Der
Dichter ist beunruhigt und erschreckt über die blutigen Ereignisse seiner Zeit.
Sein
Freund bittet ihn, die wunderschöne Melodie mit dänischen Worten zu bekleiden.
So
entsteht eine neue Fassung des Liedes, die einige Wochen später in Dänemark mit
dem Titel „Pilgerlied“ abgedruckt wird.
Bernhard
Ingemann schafft einen Liedtext, der stark von der Textfassung aus Münster
abweicht. Bald findet auch die Übersetzung ins Schwedische weite Verbreitung des
Liedes als Weihnachtslied.
Musik 3:Titel: Härlig är jorden; Komponist: Bernhard
Severin Ingemann; Album: Julen
Er Her; Chor: The Real Group; Label: Virgin; LC: 03098.
3.
Änglar den sjöngo Först för markens herdar.
Skönt
från själ till själ det ljöd: Människa,
gläd
dig, Frälsarn är kommen,
Frid
över jorden Herren bjöd
Sprecherin (overvoice)
3.
Engel ihn sangen
Hirten
auf dem Felde.
Lieblich
klingt’s von Seel zu Seel:
Menschen
frohlocket,
Friede
auf Erden
hat
uns gebracht Emanuel.
Autor: Mit Weihnachten
beginnt eine neue Zeit.
Der
Himmel öffnet sich auch im Winter, in der dunklen Jahreszeit und erinnert
daran, dass sich Gott in Christus zu uns herunterneigt in die Gebrochenheit und
Dunkelheit unseres Lebens.
Musik 3:
2. Tidevarv komma, Tidevarv försvinna, Släkten
följa släktens gång.
Aldrig
förstummas Tonen från himlen I själens glada pilgrimssång.
Sprecherin (overvoice)
2.
Zeitalter kommen,
Zeitalter
verschwinden
in
des Menschengeschlechtes Gang.
Nie
wird verstummen
aus
Himmelshöhen
der
Seelen froher Pilgersang.
Autor:Einer,
der aus diesem Glauben in einer unruhigen Zeit Hoffnung schöpfte, war der
deutsche Bundespräsident Gustav Heinemann in seiner Rede auf dem Essener
Kirchentag 1950.
Sprecher:Unsere Freiheit
wurde durch den Tod des Sohnes Gottes teuer erkauft. Niemand kann uns in neue
Fesseln schlagen, denn Gottes Sohn ist auferstanden.
….Lasst uns der
Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will:
Eure Herren
gehen, unser Herr aber kommt!“
Musik 1: Intro
Instrumental
Sprecherin:
1.
Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Herren, Gottes und Marien Sohn, dich will
ich lieben, dich will ich ehren, du meiner Seele Freud und Kron.
Autor: Dass wir in einer
Welt, in der wieder Schützengräben gezogen werden und Hass geschürt wird, durch
die Liebe zu Jesus auf eine unsichtbare Weise verbunden sein können, das habe
ich in einer Videokonferenz erlebt. Ein Netzwerk von Christen aus ganz Europa
hatte eingeladen, für Frieden in der Welt und besonders für Frieden in der
Ukraine zu beten. Über tausend Männer und Frauen aus vielen Ländern Europas haben
an diesem Treffen teilgenommen. Orthodoxe, katholische und evangelische
Christen beteten in ihrer eigenen Sprache und doch verbunden durch Christus.
Mit
einer Liedstrophe, gesungen aus ungezählten Sprachen der ganzen Welt endete
dieses Treffen. Für mich war das ein Leuchten vom Himmel, ein Stück Paradies,
das ich in dieser Verbundenheit aller Christen erfahren durfte.
Musik 3:
1.
Härlig är jorden, Härlig är Guds himmel,
Skön
är själarnas pilgrimsgång.
Genom
de fagra Riken på jorden
Gå vi till paradis med sång.
Sprecherin (overvoice)
1.
Schön ist die Erde,
schön
ist Gottes Himmel,
schön
der Seelen Pilgergang.
Durch
all die schönen
Reiche
auf Erden
ziehn
wir ins Paradies mit Sang.
Redaktion: Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth