Apfelschnitzel

Kirche in WDR2 | 06.10.2022 | 00:00 Uhr

Die

Mutter holt die Apfelschnitzel aus ihrem Rucksack und das selbst gebackene

Brot. Die Töchter–schätzungsweise zehn und zwölf Jahre alt– wollen lieber

Schokolade. „Zuerst das Brot, dann die Äpfelchen und zum Schluss Schokolade“

bestimmt die Frau Mama. „Seid froh, dass Papa überhaupt Schokolade mitgenommen

hat!“

Auch

sonst ist die Familie gut vorbereitet: An den Rucksäcken aller vier hängen

weiße Helme und bunte Klettersteig-Sets.

Vor

ihnen spannt sich eine etwa 100m lange Hängebrücke über eine eben so tiefe

Schlucht. Dahinter tut sich eine Felswand auf, die man über eine 40m lange

senkrechte Leiter erklimmen muss.

Nach

der Stärkung legt die Familie ihre Klettersteig-Sets an. „Liebster, ich habe

einen Auftrag für dich!“ sagt die Frau. „Nicht, runterschauen, auf gar keinen

Fall runterschauen, hörst du?“.„Ja…“-murmelt der Liebste.

Jetzt

lege auch ich mein Klettersteigset an. Gregor, mein Begleiter, nimmt einen

Schluck aus seinem Flachmann und hält ihn mir hin. Ich lehne mit einer

Handbewegung ab.

Da

höre ich plötzlich seltsamen Gesang. Herr Liebster hat die Brücke betreten und

offenbar damit begonnen, ein Mantra zu singen. Als wir beide auf der anderen

Seite, unmittelbar am Fuße der Leiter angekommen sind erklärt er mir: „Nennen

sie mich verrückt, aber ich leide unter Höhenangst! Meine Frau meint, ich müsse

mich meinen Ängsten stellen, deswegen sind wir hier.“

Inzwischen

ist auch seine Frau angekommen und sprudelt los: „Als ich 2016 an einer

Schwitzhütte in den Anden gewesen bin, habe ich zum ersten Mal erfahren, was

Mantra singen bewirken kann. Durch das laute Singen lösen sich alte

Glaubenssätze auf. Es hat mich komplett verändert und ich habe begonnen, meinem

Herzen zu folgen.“

„Man

sieht nur mit dem Herzen gut“; ergänzt ihr Mann. „Ja“, sage ich, „der Mensch

sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an (1.Sam.16,7).“ „Sie

glauben noch an Gott?“ fragt die Frau.

„Der

muss ja!“, wirft mein Begleiter flachsend in die Runde.

„Wenn

der Pfarrer nicht mehr an Gott glaubt, das wär´ ja, als wenn ich keinen Obstler

mehr trinken würde.“ Allgemeine Erheiterung.

„Die

Kirche kennt sich doch mit Ängsten gut aus“, meint die Frau plötzlich. „Die

Pilger, die im Mittelalter durch ganz Europa nach Rom oder Jerusalem gereist

sind, waren von der Angst getrieben, im Fegefeuer zu landen.“

„Ja“,

sage ich, „und es war ein langer Lernprozess für die Kirche, nicht mit den

Ängsten der Menschen zu spielen. Manchmal denke ich, dass es immer mehr Leute

in die Berge zieht, ist auch eine Art des Pilgerns. Das gab es übrigens auch

schon im alten Israel „Ich habe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir

Hilfe? Meine Hilfe kommt von Gott, der Himmel und Erde gemacht “ ist in der

Bibel zu lesen (Psalm 121,1). Die Überzeugung dahinter ist: Wer sich auf die

Suche nach Gott begibt, findet dabei zu sich selbst.

Redaktion: Pastorin

Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59354_WDR220221006DahlRuddies.mp3

  • 6.10.2022
  • Knut Dahl-Ruddies
  • © CCO Pixabay
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