Nur Gott kann mich richten

Kirche in WDR2 | 18.10.2022 | 00:00 Uhr

Only god can judge me. Nur Gott

kann mich richten.

So steht es auf seinen Unterarmen. Tätowiert in großen Buchstaben. Er sitzt an

einem weißen Tisch, vor weißen Gittern, irgendwo in einem amerikanischen

Gefängnis. Und gibt ein Interview. Ich schaue mal wieder eine dieser True –

Crime – Serien. Eigentlich mag ich die gar nicht. Und bleibe trotzdem beim

Umschalten immer wieder daran hängen. Ein krasser Typ: Ein Berg aus Muskeln, rasierte

Glatze, wilder Bart. Und Tattoos überall: Auf dem Arm, dem Oberkörper, im

Gesicht. Nur Gott kann mich richten. Gott auf den Unterarmen? Nun – wildes

Aussehen und Glaube schließen sich ja nicht aus. Aber im Interview wird schnell

klar: So besonders gläubig ist er wohl nicht. Er sieht das mit dem frommen

Spruch eher praktisch. Nach dem Motto: „Ich soll Verantwortung übernehmen für

das, was ich tue? Wenn ich tot bin, kann Gott mich ja danach fragen. Und bis

dahin lasst mich damit in Ruhe.“ Die Verantwortung für das, was er alles so

tut, zu verschieben, macht ihm ganz offensichtlich das Leben sehr viel leichter.

Und nicht nur ihm.

Im Verantwortung-verschieben sind auch viel weniger verwegene Menschen ganz

gut. Ich zum Beispiel. Natürlich weiß ich eigentlich genau: Ich trage

Verantwortung. Eigentlich müsste ich

mein Konsumverhalten endlich mal ändern. Nicht nur davon reden. Wegen des

Klimawandels. Eigentlich müsste ich mich mehr engagieren: für den Frieden, ein

besseres Miteinander. Baustellen gibt es ja im Moment nun wirklich genug. Ich

habe Verantwortung. Nicht ich alleine, aber auch ich. Aber dann ist es so schön

bequem, wie es ist. Und sich für irgendetwas einzusetzen, ist anstrengend. Und

ich müsste vielleicht sogar selbst auf Sachen verzichten. Und dann mache ich

genau: nichts. Und schiebe die Verantwortung weg. Gerne auf die Politik. Auf

die anderen. Die ja noch weniger machen. Vor allem aber: auf später. Viel

später. Viel, viel später. Und dann ist sie weg, die Verantwortung. Und mir

geht es gut. Und ich habe kein schlechtes Gewissen. Verantwortung wegschieben

geht. Nur nicht für immer. Irgendwann holt es dich ein. Irgendwann fragt einer

danach. Vielleicht wirklich Gott (Röm 14,12). Vielleicht meine Enkelkinder.

Später. Vielleicht ich selbst. „Warum hast du nicht getan, was damals getan

werden musste?“ Und was antwortet man dann?

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59416_WDR220221018Schroedter.mp3

  • 18.10.2022
  • Thomas Schrödter
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