Only god can judge me. Nur Gott
kann mich richten.
So steht es auf seinen Unterarmen. Tätowiert in großen Buchstaben. Er sitzt an
einem weißen Tisch, vor weißen Gittern, irgendwo in einem amerikanischen
Gefängnis. Und gibt ein Interview. Ich schaue mal wieder eine dieser True –
Crime – Serien. Eigentlich mag ich die gar nicht. Und bleibe trotzdem beim
Umschalten immer wieder daran hängen. Ein krasser Typ: Ein Berg aus Muskeln, rasierte
Glatze, wilder Bart. Und Tattoos überall: Auf dem Arm, dem Oberkörper, im
Gesicht. Nur Gott kann mich richten. Gott auf den Unterarmen? Nun – wildes
Aussehen und Glaube schließen sich ja nicht aus. Aber im Interview wird schnell
klar: So besonders gläubig ist er wohl nicht. Er sieht das mit dem frommen
Spruch eher praktisch. Nach dem Motto: „Ich soll Verantwortung übernehmen für
das, was ich tue? Wenn ich tot bin, kann Gott mich ja danach fragen. Und bis
dahin lasst mich damit in Ruhe.“ Die Verantwortung für das, was er alles so
tut, zu verschieben, macht ihm ganz offensichtlich das Leben sehr viel leichter.
Und nicht nur ihm.
Im Verantwortung-verschieben sind auch viel weniger verwegene Menschen ganz
gut. Ich zum Beispiel. Natürlich weiß ich eigentlich genau: Ich trage
Verantwortung. Eigentlich müsste ich
mein Konsumverhalten endlich mal ändern. Nicht nur davon reden. Wegen des
Klimawandels. Eigentlich müsste ich mich mehr engagieren: für den Frieden, ein
besseres Miteinander. Baustellen gibt es ja im Moment nun wirklich genug. Ich
habe Verantwortung. Nicht ich alleine, aber auch ich. Aber dann ist es so schön
bequem, wie es ist. Und sich für irgendetwas einzusetzen, ist anstrengend. Und
ich müsste vielleicht sogar selbst auf Sachen verzichten. Und dann mache ich
genau: nichts. Und schiebe die Verantwortung weg. Gerne auf die Politik. Auf
die anderen. Die ja noch weniger machen. Vor allem aber: auf später. Viel
später. Viel, viel später. Und dann ist sie weg, die Verantwortung. Und mir
geht es gut. Und ich habe kein schlechtes Gewissen. Verantwortung wegschieben
geht. Nur nicht für immer. Irgendwann holt es dich ein. Irgendwann fragt einer
danach. Vielleicht wirklich Gott (Röm 14,12). Vielleicht meine Enkelkinder.
Später. Vielleicht ich selbst. „Warum hast du nicht getan, was damals getan
werden musste?“ Und was antwortet man dann?
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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