Nah bei Gott – vom Glück

Kirche in WDR3 | 04.06.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

„Ich glaube, ich habe schon fast vergessen, wie das Wort

‚Glück‘ klingt.“, sagt Elsa. Ihr Leben war geprägt von

Schicksalsschlägen: Ihre jüngste Tochter stirbt bei einem Unfall. Ihr Mann und

sie trennen sich. Sie erkrankt an Krebs und pflegt ihre Eltern, das kostet viel

Kraft. Es gab Zeiten, da hat Elsa mit diesem Schicksal, mit ihrem Leben und mit

Gott gehadert. Früher hatte sie oft den Gottesdienst besucht. Doch irgendwann hat

sie verbittert gesagt: „Hat ja doch keinen Sinn, an Gott zu glauben“.

Lange vor Elsa hadert ein anderer mit Gott, mit

seinem Schicksal und seinem Leben. Im 73. Psalm in der Bibel macht er seinen

Gefühlen Luft und betet seinen Frust heraus:

Sprecher: „Sieh, das sind die Frevler, immer im Glück häufen sie Reichtum.“ (1)

Es ist unerträglich für den Beter zu sehen, dass scheinbar

immer die Glück haben, die sich um Gott nicht scheren. Die Bibel nennt

sie die Frevler. Sie lassen es sich einfach gut gehen, häufen Reichtümer an. Und er fragt sich: „Was habe ich eigentlich davon, dass ich versuche, mein

Leben an Gott auszurichten. Denn trotzdem erlebe ich so viel Schweres in meinem

Leben.“

Sprecher: „Ganz umsonst hielt ich mein Herz rein, wusch ich meine Hände in

Unschuld. Ich war geplagt jeden Tag.“ (2)

Doch dann passiert etwas. Ein Wendepunkt. Nicht

spektakulär. Der Beter erzählt, wie er eines Tages das Heiligtum Gottes, den

Tempel besucht. Dort gewinnt er die Gewissheit: Gott hält mein Leben, so wie es

ist, in den Händen, und er wird mich niemals fallenlassen. Und er kommt zu dem

überraschenden Bekenntnis:

Sprecher: „Mein Glück aber ist es, Gott nahe zu sein; bei Gott dem HERRN habe

ich meine Zuflucht.“ (3)

Was mag der Beter in Gottes Heiligtum erlebt haben,

das ihn aus Frust und Verbitterung zurück zur Hoffnung führt; aus tiefen

Zweifeln zu diesem Satz: „Gott nahe zu sein, das ist mein Glück!“? Vielleicht,

so stelle ich mir vor, sind es die Geschichten, die sich Menschen dort

erzählen: Geschichten von Bedrückung und Befreiung, von Wüstenzeiten und

sprudelnden Quellen, von ungewissen Aufbrüchen und von Bewahrung auf dem Weg.

Vielleicht sind es die Träume und kühnen Visionen, die Menschen dort

miteinander teilen: Dass über denen, die im Dunkeln wohnen, ein helles Licht

scheinen wird, dass die Großen klein gemacht werden und die Kleinen groß.

Vielleicht sind es die tröstlichen Bilder, die

Menschen dort einander vor Augen malen: Dass Gott unsere Tränen in einem Krug

sammelt und dass er uns einen Tisch deckt im Angesicht der Feinde.

Irgendwann taucht Elsa wieder in der Kirche auf. Sie

hat, so erklärt sie, „mit Gott noch ein Hühnchen zu rupfen“. Sie nimmt den

Faden ihres ins Wanken geratenen Glaubens wieder auf. Einmal sagt sie nach dem

Gottesdienst: „Ich glaube, ich kann mich wieder daran erinnern, wie das Wort

`Glück` klingt!“ Ihre Fragen und die Wunden bleiben. Doch sie weiß sich damit

von Gott gehalten.

Für ihre Beerdigung hat sie sich diesen Vers

ausgesucht: „Gott nahe zu sein, das ist mein Glück“. Als wir von ihr Abschied

nehmen, teilen wir die Hoffnung: Sie hat gefunden, wonach sie gesucht hat.

Es grüßt Sie Ihr Dietmar Arends,

Landessuperintendent aus Detmold.

Quellen:

(1) Psalm 73,12 (Zürcher Bibel)

(2) Psalm 73,13-14a (Zürcher Bibel)

(3) Palm 73,27 (Zürcher Bibel)

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58237_WDR3520220604Arends.mp3

  • 4.6.2022
  • Dietmar Arends
  • © epd bild/Schulze
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