Gemeinsam durchstehen

Kirche in WDR2 | 24.01.2022 | 00:00 Uhr

Natürlich ist es keine

besonders originelle Idee, das weiß er selbst. Aber ihm fällt nichts Besseres

ein, also greift er auf den Klassiker zurück und versteckt die Schnapsflasche

in seinem Schreibtisch. Ganz hinten in der untersten Schublade, zwischen

allerlei Zeug, das er selten braucht. Was er allerdings immer häufiger braucht,

ist ein ordentlicher Schluck aus dieser Flasche. Bei Stress oder wenn er nicht

gut drauf ist. Um dem Druck zu begegnen oder sich zu beruhigen. Oder weil er

das Gefühl hat, diesen Schluck, den hätte er jetzt einfach verdient.

Dass das auf die Dauer nicht

gut geht, liegt eigentlich auf der Hand. Aber er verdrängt diesen Gedanken. Statt

nach einem Ausweg zu suchen, treibt er immer weiter in die Sucht hinein. Obwohl

er die ganze Zeit fürchtet, dass seine Frau die Flasche im Schreibtisch findet.

Tatsächlich entdeckt seine

Tochter den Schnaps. Das ist ihm echt unangenehm, denn die Tochter hätte er

gern aus seinen Problemen herausgehalten. Dazu ist es nun zu spät. Trotzdem

macht er erst einmal weiter wie bisher.

Erst als er seinen

Führerschein verliert, kommt er langsam zur Besinnung. Zumal ihn dann auch noch

seine Frau vor die Wahl stellt: „Entweder machst Du jetzt eine Therapie! Oder

ich bin weg. Mit unserer Tochter. Überleg’s dir also: Deine Flasche oder deine Familie!“

Erst da kriegt er endlich die Kurve und macht einen Entzug.

In den kommenden Wochen

erfährt er eine Menge Geschichten. Er hört von Menschen, die durch die Sucht

alles verloren haben: Beruf, Familie, finanzielle Existenz. Und er weiß: Hätte

seine Frau nicht Klartext mit ihm geredet, wäre ihm das auch passiert. Denn von

alleine hätte er nie aufgehört.

Irgendwann fragt er seine

Frau, warum sie diese ganze Zeit mit ihm durchgestanden hat. Und sie erzählt

ihm: „Eigentlich hatte ich alle Hoffnung aufgegeben. Mit unserer Ehe und mit

dir war ich fertig. Aber dann hab‘ ich mich an unseren Hochzeitsspruch

erinnert: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht!“ (Josua 1, 5) Weißt

du noch? Der Pastor damals im Gottesdienst, der hat das so erläutert, dass Gott

diesen Satz zu uns sagt. Und gleichzeitig sagen wir beide ihn auch zueinander: „Ich

lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht!“ Als mir das wieder

eingefallen ist, war ich bereit, dir noch eine letzte Chance zu geben. Denn:

Wenn das wahr ist, dass Gott uns nicht fallen lässt – dann hab‘ auch ich die

Kraft, bei dir zu bleiben. Dann stehen wir das gemeinsam durch!“

Redaktion: Pastorin Sabine

Steinwender-Schnitzius

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  • 24.1.2022
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