Auftragsklärung statt mit Steinen zu werfen

Kirche in WDR2 | 15.12.2022 | 00:00 Uhr

Auftragsklärung ist für mich

das Wort der Stunde: Kennen Sie das Wort? Ich frage jemanden, was er von mir

braucht, bevor ich aktiv werde. Sei es mit Worten oder mit Taten.

Nehmen wir mal meine

Freundin. Ihr Mann hat sie über Monate betrogen. Dann ist aus dem kleinen

Seitensprung die Liebe seines Lebens geworden. Kann passieren. Mal so ganz

nüchtern betrachtet.

Komisch finde ich es aber schon.

Vor zwei Jahren haben sie erst geheiratet. In guten wie in schlechten Zeiten,

wollten sie sich lieben – so haben sie es sich versprochen. Also, was tun als

Freundin der betrogenen Freundin. Ich bin natürlich mega solidarisch. Rege

mich direkt so auf, als sei ich es, die betrogen worden ist. Empöre mich

moralisch und kann es mir nicht verkneifen zu sagen: Eigentlich hat er schon

immer anderen Frauen hinterher geschaut. Und denke: das hätte sie doch merken

müssen. Dass er so ein Schürzenjäger ist . Was für ein Wort. Aber bringt das meiner

Freundin was, wenn ich mich so empöre? Ihn quasi tot schlage mit Worten? So wie

sie damals die Ehebrecherin mit Steinen tot schlagen wollten: Als Jesus kam

und sagte: der, der ohne Sünde von Euch ist, werfe den ersten Stein. Solidarität

mit einer Freundin kann ja so weit gehen, dass man sich (über andere) moralisch

erhebt und richtet. In diesem Fall über ihren Ex. Doch zurück zu meiner Frage: Bringt

das meiner Freundin eigentlich was, wenn ich mich so empöre?

Vielleicht will sie, dass ich

einfach mal nichts sage und nur zuhöre. Um das rauszufinden, sollte ich sie fragen:

Hey, was erwartest Du eigentlich von mir? Was kann ich für Dich tun? Stichwort:

Auftragsklärung. Vielleicht will sie auch gar nicht mehr darüber reden und

lieber mal Abschalten. In`s Kino, in die Sauna, zum Italiener. In den Wald oder

in den Club.

Die Tage hat mir wieder ne

Freundin den Seitensprung ihres Freundes gebeichtet. Ihr war es sichtlich

unangenehm, weil die Liebe noch so jung ist. Da habe ich einfach nur zugehört

und ihr einen Namen genannt. Ich wusste, dass es besser ist, wenn ich die

Nummer jetzt nicht groß mache, sondern sie entlaste. Welchen Namen ich ihr

genannt habe? Den von einer New Yorker Psychotherapeutin. Sie hat über

Seitensprünge nachgedacht hat. Kurz und prägnant in Videos auf you tube. Ihr

Name ist Esther Perel. Der Punkt: der Sprung in`s andere Bett hat mehr mit dem

Typen als mit meiner Freundin zu tun. Meine Freundin hat das entlastet. Und

mich auch. Weil, ich habe nicht mit Steinen geworfen.

Redaktion:

Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59806_WDR220221215Steinwender.mp3

  • 15.12.2022
  • Sabine Steinwender
  • © CCO Pixabay
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