Auftragsklärung ist für mich
das Wort der Stunde: Kennen Sie das Wort? Ich frage jemanden, was er von mir
braucht, bevor ich aktiv werde. Sei es mit Worten oder mit Taten.
Nehmen wir mal meine
Freundin. Ihr Mann hat sie über Monate betrogen. Dann ist aus dem kleinen
Seitensprung die Liebe seines Lebens geworden. Kann passieren. Mal so ganz
nüchtern betrachtet.
Komisch finde ich es aber schon.
Vor zwei Jahren haben sie erst geheiratet. In guten wie in schlechten Zeiten,
wollten sie sich lieben – so haben sie es sich versprochen. Also, was tun als
Freundin der betrogenen Freundin. Ich bin natürlich mega solidarisch. Rege
mich direkt so auf, als sei ich es, die betrogen worden ist. Empöre mich
moralisch und kann es mir nicht verkneifen zu sagen: Eigentlich hat er schon
immer anderen Frauen hinterher geschaut. Und denke: das hätte sie doch merken
müssen. Dass er so ein Schürzenjäger ist . Was für ein Wort. Aber bringt das meiner
Freundin was, wenn ich mich so empöre? Ihn quasi tot schlage mit Worten? So wie
sie damals die Ehebrecherin mit Steinen tot schlagen wollten: Als Jesus kam
und sagte: der, der ohne Sünde von Euch ist, werfe den ersten Stein. Solidarität
mit einer Freundin kann ja so weit gehen, dass man sich (über andere) moralisch
erhebt und richtet. In diesem Fall über ihren Ex. Doch zurück zu meiner Frage: Bringt
das meiner Freundin eigentlich was, wenn ich mich so empöre?
Vielleicht will sie, dass ich
einfach mal nichts sage und nur zuhöre. Um das rauszufinden, sollte ich sie fragen:
Hey, was erwartest Du eigentlich von mir? Was kann ich für Dich tun? Stichwort:
Auftragsklärung. Vielleicht will sie auch gar nicht mehr darüber reden und
lieber mal Abschalten. In`s Kino, in die Sauna, zum Italiener. In den Wald oder
in den Club.
Die Tage hat mir wieder ne
Freundin den Seitensprung ihres Freundes gebeichtet. Ihr war es sichtlich
unangenehm, weil die Liebe noch so jung ist. Da habe ich einfach nur zugehört
und ihr einen Namen genannt. Ich wusste, dass es besser ist, wenn ich die
Nummer jetzt nicht groß mache, sondern sie entlaste. Welchen Namen ich ihr
genannt habe? Den von einer New Yorker Psychotherapeutin. Sie hat über
Seitensprünge nachgedacht hat. Kurz und prägnant in Videos auf you tube. Ihr
Name ist Esther Perel. Der Punkt: der Sprung in`s andere Bett hat mehr mit dem
Typen als mit meiner Freundin zu tun. Meine Freundin hat das entlastet. Und
mich auch. Weil, ich habe nicht mit Steinen geworfen.
Redaktion:
Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59806_WDR220221215Steinwender.mp3