Lieber Dieb!
Ich habe die Faxen dicke.
Nur einen kleinen Augenblick war die Kirche unbewacht. Aber die hast du genutzt. Du hast einen neuen
Lautsprecher aus der Wand gerissen und mitgenommen. An einem anderen
Lautsprecher hast Du es auch versucht, aber vermutlich bist Du dabei gestört
worden.
X-Mal wurde in unserer Kirche
schon der Opferstock aufgebrochen. Zuerst nur das Schloss, dann wurde auch der
Opferstock selbst aus der Wand gerissen. Altarkerzen wurden gestohlen,
Glühbirnen aus den Strahlern. Es ist einfach nichts mehr sicher vor Euch.
Auch bei mir im Pfarrhaus hast Du
eingebrochen. Zwei Mal in einer Woche. Beim ersten Mal hast Du Geld
mitgenommen, beim zweiten Mal auch mein funkelnagelneues Fahrrad, das im Flur
stand. Es war das erste gute Fahrrad, das ich je hatte.
Ich habe die Faxen so dicke.
Deinetwegen mussten wir die Kirche
tagsüber schließen. Sie war sonst verlässlich jeden Tag von 10-18 Uhr offen
gewesen. Menschen haben hier gebetet und konnten eine Atempause einlegen. Das
war ihnen nun für einige Wochen nicht möglich, bis wir die Videoüberwachung
hatten. Viele haben das bedauert. Weißt Du nicht, wie wertvoll und wichtig
solche Ruheräume in der Stadt sind?
Und deswegen heute mein Wort an
Dich, lieber Dieb:
Du-sollst-nicht-stehlen! Das ist ein biblisches Gebot ohne Wenn und Aber. Du
kennst es doch. Aber vielleicht denkst Du: „Ich nehme es ja nur von den
Reichen.“ Aber ein Diebstahl allein macht aus Dir noch keinen Robin Hood.
Erstens kennst Du unsere miese
Haushaltslage nicht.
Zweitens ist in den biblischen
Geboten nur Mundraub erlaubt: Du darfst also etwas aus meinem Gemüsegarten
nehmen – allerdings nur so viel, bis Du satt bist. Und an der Pfarrhaustür
bekommst Du natürlich auch etwas zu essen. Wir sind Kirche. Wir lassen
niemanden verhungern.
Drittens: Du hast keine anonyme
Masse geschädigt. Hättest Du den Lautsprecher auch geklaut, wenn Dir ein alter
Herr erzählt hätte, wie sehr er sich freut, dass er mit der neuen
Lautsprecheranlage wieder gut hören kann? Du nimmst den Lautsprecher dem alten Herrn
weg. Du schädigst eine Gemeinschaft von Menschen, die vielleicht auch Dir schon
mal geholfen hat oder noch helfen kann. Letztlich – auch wenn Du das im Moment
nicht realisierst – schädigst Du Dich selbst. Die Kirche war jetzt auch für
Dich zu.
Und durch die vielen Einbrüche
machst Du uns misstrauisch, uns, die Leute in der Gemeinde. Darunter leidet
unsere Offenheit – auch die Offenheit für Dich. Dadurch wird wiederum unsere
Gemeinschaft brüchig.
Die leidet übrigens auch, wenn Du
versuchst, Steuern zu hinterziehen und alles versuchst, um so wenig Steuern wie
möglich zu zahlen. Du versündigst Dich an der Gemeinschaft.
Ich war sehr beeindruckt, als ich
las: Ein geflüchteter junger Mann aus Somalia hat darauf bestanden, mehr
Steuern zu bezahlen, als er muss. Er wollte der deutschen Gesellschaft
zurückbezahlen, was sie für ihn getan hat, als er hier angekommen ist und
nichts hatte. Der hat verstanden, worum es in Kirche und Gesellschaft geht. Um
ein Gemeinschaftswerk.
Du sollst nicht stehlen. Gott
setzt klare Grenzen. Um die Gemeinschaft zu schützen, zu der Du dazugehörst!
Vielleicht denkst Du noch mal drüber nach, lieber Dieb!
Deine Christel Weber aus
Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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