
Guten Morgen.
Er gilt als einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts: Der Friedensnobelpreisträger, Arzt, Philosoph, Musikwissenschaftler und
evangelische Theologe Prof. Dr. Albert Schweitzer. Bekannt auch als
„Urwalddoktor“ von Lambaréné im afrikanischen Gabun. Und heute ist sein
Geburtstag. Seit jeher fasziniert mich das Leben und Wirken dieses sensiblen
und hochbegabten Mannes. Schon als Kind beschäftigt ihn, dass so viele auf der
Welt leiden. Und er setzt zeitlebens all seine Kraft ein, dass das anders wird.
Mit acht Jahren hat er ein Schlüsselerlebnis.
„Mein Freund Heinrich und ich“, erzählt Albert Schweitzer, „hatten
uns Schleudern aus Gummischnüren gemacht, mit denen man kleine Steine
schleudert. An einem Sonntagmorgen sagte Heinrich: `Komm Albert, wir gehen und
schießen auf Vögel`. Dieser Vorschlag war mir schrecklich. Aber ich wagte nicht
zu widersprechen. Aus Angst, er könnte mich auslachen. An einem kahlen Baum
legte Heinrich einen Kiesel in die Schleuder. Seinem gebieterischen Blick
gehorchend, tat ich unter furchtbaren Gewissensbissen dasselbe. Doch ich nahm
mir fest vor, daneben zu schießen. In demselben Moment fingen die Glocken
unserer Kirche an zu läuten. Für mich war es eine Stimme aus dem Himmel. Ich
tat die Schleuder weg, scheuchte die Vögel auf und floh nach Hause. Seitdem
denke ich beim Läuten der Kirchenglocken dankbar daran, wie sie mir das Gebot
‚Du sollst nicht töten’ ins Herz geläutet haben“.
Im Rückblick auf dieses Erlebnis sagt Albert Schweitzer:
„Von jenem Tage an habe ich gewagt, mich von der Menschenfurcht zu
befreien. Wo meine innerste Überzeugung mit im Spiele war, gab ich jetzt auf
die Meinung anderer weniger als vorher. Ich verlernte die Scheu vor dem
Ausgelacht werden“.
Albert Schweitzer hat sich von der Menschenfurcht befreit. Auch
ich wünsche mir das für meinen Alltag. Und es ist möglich. Denn: „Gott hat uns
nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der
Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7). Das steht schon in der Bibel. Der Apostel
Paulus hat das an einen Mann namens Timotheus geschrieben. Frei von der
Menschenfurcht bleibt mein Blick weit und eröffnet mir Handlungsspielräume. Und
das entfesselt die Kraft in mir, die Dinge anzupacken. Albert Schweitzer hat
gesehen, wo handeln nützt. Bis zu seinem 90. Lebensjahr in Lambaréné hat er
vielfältig und segensreich gewirkt.
Ohne Furcht vor dem, was andere denken, habe ich Mut, auch mal
ungewöhnliche Wege zu gehen. Ich bin zum Beispiel beruflich jahrzehntelang im
Suchtbereich tätig gewesen – und vertrete deshalb ganz klar eine alkohol- und
nikotinfreie Lebensweise. Und dies auch bei unseren Familienfeiern wie
Hochzeiten, Geburtstagen und an Silvester. Nicht alle Gäste sind darüber
erfreut. Und es gab schon häufig kritische Bemerkungen. Albert Schweitzer hat
sich schon früh von der Furcht befreit, was andere über ihn denken. Er ist
unbeirrt seinen Weg gegangen, den er für richtig hielt. Er war ein Mensch der
Tat. Er sagte, was er dachte und er tat, was er sagte. Und das hat ihn
glaubwürdig gemacht und zu einem Vorbild bis heute.
Ihr Prädikant Werner Brück aus Remscheid.
Quelle:Albert Schweitzer, Aus meiner Kindheit und
Jugendzeit, C. H. Beck, München 1985, S. 275-276.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57049_WDR3520220114Brueck.mp3