Guten Morgen!
In den großen Hallen herrscht geradezu ein
babylonisches Sprachgewirr. So viele verschiedene Sprachen an einem Ort habe
ich noch nie erlebt. Man hört es und sieht es: Die vielen Menschen, die hier bei
der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen versammelt sind, kommen
aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen hierher. Die Welt ist zu Gast
in Südkorea. Viele tragen festliche, farbenfrohe Gewänder, andere sind ganz in
schwarz, wieder andere ganz in weiß gekleidet; eine bunte Vielfalt von Kopfbedeckungen
ist zu entdecken. Etliche tausend Menschen sind gekommen. In all unserer
Verschiedenheit verbindet uns etwas: Es ist unser Glaube. Und so sind die
eindrücklichsten Erfahrungen für mich die gemeinsamen Feiern: Wir singen
zusammen, beten, tanzen, hören auf gute Worte aus der Bibel. In den
Arbeitssitzungen der Konferenz wird auch um gemeinsame Wege der verschiedenen
Kirchen gerungen und gestritten. Aber in der Feier des Glaubens wissen wir uns
dennoch durch Gottes Geist miteinander verbunden.
So habe ich es erlebt auf der letzten
Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen vor neun Jahren. In diesem
Jahr nun ist es wieder so weit. Wegen der Pandemie mit einem Jahr Verspätung
kommen Christinnen und Christen aus aller Welt zusammen. Zum ersten Mal seit
über fünfzig Jahren findet eine Vollversammlung des Ökumenischen Rates der
Kirchen wieder in Europa statt und zum ersten Mal überhaupt dürfen wir in
Deutschland Gastgeber sein. Delegierte aus 120 Ländern, aus über 350 Kirchen
werden Ende August, Anfang September in Karlsruhe zusammenkommen. Sie vertreten
über eine halbe Milliarde Christinnen und Christen in der Welt. Die Welt ist zu
Gast.
Sie kommen zusammen unter dem Leitsatz „Die Liebe
Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“. Dieses Motto ist fast ein
trotziges Wort der Hoffnung gegen die Zerrissenheit dieser Welt, wie wir sie
erleben. Diese Zerrissenheit ist uns in Deutschland durch den Krieg in der
Ukraine noch einmal ganz anders nahegekommen. Von Versöhnung und Einheit
scheint diese Welt so weit weg zu sein. Menschen erleiden Gewalt, Millionen
sind auf der Flucht, so viele haben nicht das Nötigste zum Leben. Und man
könnte fast fragen, ob das Motto der Vollversammlung den Mund nicht ein
bisschen zu voll nimmt: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“.
Das Motto geht zurück auf einen Brief, den der
Apostel Paulus an seine Gemeinde in Korinth geschrieben hat. Die Gemeinde damals
droht durch Streit und Eitelkeiten auseinanderzubrechen. Da erinnert Paulus
seine Gemeinde an Gottes grenzenlose Liebe. Sie drängt uns, sie bewegt uns
dazu, versöhnlich miteinander umzugehen und den Frieden zu suchen. Die Liebe
Gottes, die uns in Jesus Christus begegnet, verändert unseren Blick. Wir sehen
in den Menschen, die uns begegnen, Menschen, mit denen Gott Frieden geschlossen
hat. Auf der letzten Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Südkorea hat
dieser Blick Menschen aus Süd- und Nordkorea an einen Tisch gebracht. Sie hat
Menschen dazu bewegt, sich dafür einzusetzen, dass Trennungen überwunden werden
und Wunden heilen können.
Wir dürfen diese Liebe nicht untergehen lassen in
dem, was in dieser Welt geschieht.
Lassen wir uns immer wieder neu von dieser Liebe
bewegen! Ich freue mich auf die Versammlung in Karlsruhe in diesem Jahr und hoffe,
dass ein Signal für Versöhnung und Frieden von ihr ausgehen wird.
Es grüßt Sie Ihr Dietmar Arends,
Landessuperintendent aus Detmold.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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