Gerechtigkeit soll blühen

Kirche in WDR3 | 18.04.2024 | 00:00 Uhr

Guten Morgen,

“Das ist aber ungerecht”, moppert Emma und

stampft mit dem Fuß auf. Das Gesicht hat sie zu einem Schmollmund verzogen, so

als wenn sie gleich anfangen würde zu heulen. “Immer darf Antonia länger

aufbleiben als ich. Ich bin doch auch schon groß.” Emmas Mutter kontert: “Du

bist aber vier Jahre jünger und der Film ist erst ab zwölf.“ Emma rennt aus der

Küche und verschwindet heulend wie ein Schlosshund in ihrem Zimmer. Kinder

nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn sie etwas total ungerecht finden. Da kann

alles rechtens zugehen, und es gute Gründe dafür geben, dass sie anders

behandelt werden. Aus ihrer Sicht geht das gar nicht. Aber mir begegnet das

auch als Erwachsene immer wieder. Alles geht mit rechten Dingen zu, und dennoch

finde ich es ungerecht. Wenn zum Beispiel die eigene Fußballmannschaft das

ganze Spiel über dominiert, viel mehr Torchancen hat als die gegnerische

Mannschaft, eindeutig die bessere Mannschaft ist, man sie schon eine Runde

weiter sieht im Turnier, die Stimmung unter den Fans auf dem Höhepunkt ist und

am Ende, 30 Sekunden vor dem Abpfiff, die anderen doch noch einen Ball ins Tor

stolpern und gewinnen. Alles in Ordnung, kein Abseits, alle Regeln beachtet – und

trotzdem ungerecht. Oder wenn ich höre, dass bei einem Dozenten Klausuren an der

Uni so schwer sind, dass die Studierenden reihenweise nicht bestehen und

nochmal ranmüssen, und es dann erstaunlicherweise bei anderen Profs im nächsten

Semester für alle klappt. Also, je nachdem, an wen man gerät, stehen die

Chancen erfolgreich zu sein unterschiedlich. Und letztens haben wir einen

Zuschussantrag gestellt für eine Veranstaltung. Wir hatten alle Kosten

aufgeführt und warteten noch auf die schriftliche Zusage. Bevor die kam,

mussten wir aber zwei Rechnungen der aufgeführten Kosten unbedingt schon

bezahlen. Damit konnten sie dann später bei der Abrechnung nicht mehr berücksichtigt

werden. Nach den Richtlinien korrekt, für uns nicht wirklich einleuchtend. Beispiele

für rechtmäßiges Handeln, das dann doch individuell als ungerecht empfunden

wird, gibt es zuhauf. Wir geraten an unsere Grenzen, wenn wir Gerechtigkeit

herstellen möchten. Deshalb geben wir uns ja Regeln und Gesetze, damit nicht

alle nach ihren eigenen Maßstäben entscheiden und handeln. Sonst kämen wir nie

auf einen Nenner. Aber ganz selten finden wir Lösungen, die alle in gleicher

Weise gerecht finden oder für alle gleichermaßen gerecht sind. Es bleibt ein

Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Wenn wir es für alle gerecht

machen wollen, kommen wir ebenso an unsere Grenzen, wie wenn wir Frieden

herstellen möchten oder Freiheit für alle erreichen. Das kann, so glauben es

Christinnen und Christen, nur einer, der größer ist als wir, Gott. Und so

versuchen wir es wenigstens immer wieder und bitten Gott um seinen Beistand.

Denn: “Gottes Hilfe ist denen nah, die zu ihm gehören. Dann wohnt seine

Herrlichkeit wieder in unserem Land: Gerechtigkeit und Frieden küssen sich…

Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.” (aus Psalm 85,10-12, BasisBibel) Dass

es für Sie und für möglichst viele Menschen auf der Welt gerecht zugehen möge,

das wünsche ich uns heute Morgen.

Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3

Ihre Barbara Schwahn, Krefeld.

Redaktion:

Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63756_WDR35240418Schwahn.mp3

  • 18.4.2024
  • Dr. Barbara Schwahn
  • © CCO Pixabay
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