Guten Morgen!
Fünf Uhr, sechs Uhr, sieben
Uhr – einmal, zweimal, dreimal – wann und wie oft klingelt bei Ihnen morgens
der Wecker? Die Gewohnheiten sind da verschieden. Die einen sitzen gleich beim
ersten Piep aufrecht auf der Bettkante, andere langen verschlafen nach der
Schlummertaste und gönnen sich fünf oder zehn Extraminuten. Die Dritten werfen zornig
mit dem Kissen nach der morgendlichen Quälmaschine. Und manche könnten ihren
Wecker gern gleich auf den Flohmarkt tragen, sind jeden Morgen vor der Zeit
mehr oder weniger munter. So weit, so verschieden. Es folgen die üblichen
Dinge. Aufstehen, ab ins Bad, Zähne putzen, duschen, der Versuch, Haare und
Gesicht in Form zu bringen, Kleidung wählen, überziehen, und schon geht’s zum
Frühstück. Der Tag kann beginnen.
Im Inneren freilich hat er
das längst. Mitunter mitten in der Nacht. Was gibt’s heute zu tun, wo geht es
hin, wie komme ich da durch – und warum, warum muss das alles sein, ist doch
alles zu viel, hat doch eh keinen Sinn. Und bringt mich jetzt schon um den
Schlaf. Wenn der nächste Tag dir nachts schon auf die Pelle rückt, wird es
meistens finster.
„Ich danke dir, mein
himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese
Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast.“
Hat Martin Luther gebetet. Einen
Wecker kannte er nicht, und das Zähneputzen war ihm so fremd wie Shampoo oder Duschkabinen.
Vor 500 Jahren fing der Morgen noch anders an als heute. Einen guten Rat aber,
eine heilsame Empfehlung hat Martin Luther hinterlassen. In seinem „Morgensegen“.
„Des Morgens, wenn du
aufstehst, kannst du dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes…“, so
fängt das an bei Luther. Glaubensbekenntnis und Vater unser vorneweg – und dann
folgt dieser erste Satz, zu beten empfohlen: „Ich danke dir, mein himmlischer
Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor
allem Schaden und Gefahr behütet hast.“
Bevor du nach vorn siehst, bevor
du deinen Blick dem neuen Tag zuwendest und dich um ihn sorgst: Halt erst
einmal inne, kurz, und wende deinen Blick zurück auf diese Nacht. Und sei
dankbar. Sag Dank. Dass du ohne Schaden und Gefahr erwachen, die Augen öffnen
und aufstehen durftest. Jedenfalls wenn es so ist – denke daran und danke
dafür.
Ein Zauberspruch ist Luthers
Morgensegen sicher nicht. Gott bewahre. Schlechte Tage und üble Launen sind von
ihm überliefert. Aber davon bin ich überzeugt: Wo der Dank für die Nacht, der
Dank für das Erwachen und den neuen Tag so selbstverständlich ist wie
Zähneputzen und Kämmen, da kriegt dein Tag ein Plus vor die Klammer, steht vor
allem ein dankbares Vorzeichen. Probieren Sie’s aus. Den Wecker müssen Sie deshalb
nicht vorstellen – der Dank braucht keine fünf Minuten. Wirkt aber nach fürs
ganze Leben.
Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59351_WDR3520221006Schlueter.mp3