Guten Morgen!
Haben
Sie eine Ahnung, wie viele Wörter Sie heute sprechen werden? Und wie viele
Wörter Sie heute hören werden? Etliche Tausende werden wohl zusammenkommen. Es
wird viel geredet. Manchem ist es zu viel. Gestern in der Straßenbahn saß mir
einer mit seinem Smartphone gegenüber und sprach zwanzig Minuten ohne Pause
hinein – ein wahrer Tsunami, der über seinen Gesprächspartner am anderen Ende
der Leitung hinwegging. Manchmal kann man gar nicht mehr zuhören. Wörter, nichts als Wörter. Lohnt es sich, darüber zu reden?
Was vermögen schon Wörter? — Eine ganze Menge, wie man an der folgenden
Episode erkennen kann.
Tim fühlt sich in seiner Klasse nicht mehr wohl. Die anderen schauen ihn in
letzter Zeit so komisch an. Wenn er in ihre Nähe kommt, hören sie auf, miteinander
zu reden. Was haben die bloß, fragt sich Tim. Nur einer ist wie immer, sein
Freund Philipp. Auf dem Nachhauseweg reden die beiden miteinander. „Du, die
sagen, du hättest im Supermarkt geklaut“, beginnt Philipp. „So’n Quatsch, wie
kommen die denn darauf?“ „Christine hat es gesagt.“ „Die spinnt wohl.“ „Sie
meint, sie hätte gesehen, wie eine Verkäuferin dich zum Filialleiter abgeführt
hat. So hat sie es jedenfalls erzählt.“ „So ein Blödsinn“, entgegnet Tim. „Klar
war ich im Supermarkt und beim Chef auch. Der ist nämlich mein Onkel und die
Angestellte hat mich zu ihm gebracht, weil ich ihn noch nie besucht hatte.“
„Ach so, dann ist ja alles gut.“
Worte vermögen eine Menge. Sie können einem ganz schön zu schaffen machen. Sie
können das Ansehen eines Menschen beschädigen. Sie können ein
Vertrauensverhältnis erschüttern. Sie können Hass und Streit säen. Nicht
zuletzt in der Politik. Und wenn solche Worte weitergegeben werden, geht die
Saat auf. Das Zusammenleben der Menschen wird gestört.
Sie können natürlich auch zum Guten wirken – die Wörter. Sie können
Missverständnisse aus der Welt schaffen, Beziehungen knüpfen, Mut machen und
zur Verständigung beitragen. Ja, sie können sogar Frieden stiften.
Wörter werden also nicht nur in den Wind gesprochen. Deshalb ist es wichtig,
sich zu überlegen, was man sagt. In der Bibel lese ich: „Herr, stelle eine
Wache vor meinen Mund, behüte das Tor meiner Lippen!“ (Psalm 141,3) Da weiß
jemand scheinbar, wie schnell aus einer unbedachten Äußerung Unheil entsteht.
Besonders im Streit, wenn ein Wort das andere gibt. „Das habe ich nicht so
gemeint.“ Das ist leicht gesagt. Aber gesagt ist gesagt. Und selbst nach einer
Entschuldigung bleibt ein fader Nachgeschmack. Hat der andere es nicht
vielleicht doch so gemeint? Wie wäre er sonst darauf gekommen? Wie steht er
denn nun wirklich zu mir?
„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“
(Lukas 6,45), hat Martin Luther einen Satz des Jesus von Nazareth übersetzt.
Wenn das wahr ist, dann lassen meine Äußerungen Rückschlüsse auf mein Herz und
damit auf mich selbst zu. Wenn ich mir das mal ganz bewusst mache – dann
überlege ich schon eher, was ich sage. Und versuche meine Zunge im Zaum zu
halten und an mir zu arbeiten. Und damit mich das nicht überfordert, darf ich
Gott um Hilfe bitten: „Herr, stelle eine Wache vor meinen Mund, behüte das Tor
meiner Lippen!“
Ich wünsche Ihnen für heute einen achtsamen Umgang
mit den Wörtern, die Ihnen einfallen und die Sie sprechen.
Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
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