Body sense

Kirche in WDR2 | 01.06.2022 | 00:00 Uhr

Wiederholung vom 26.07.2021, WDR2

Ich bin total verspannt. Kennen

Sie das auch? Schulter, Nacken, Rücken. Kein Wunder: bei dem Stress. Ich habe

nicht weniger, sondern mehr Arbeit. Trotz Corona. Jetzt sitze ich bei der Physiotherapie.

Die Therapeutin schaut mich

mit ihren rehbraunen Augen an. Drückt hier, drückt da und sagt: Ich mache jetzt

mal ein Experiment mit Ihnen. Sie nimmt meinen Arm, den sie gegen meinen Widerstand

runterdrücken will. Es gelingt ihr mühelos. Mein Arme zittert, ist kraftlos. Zumindest

auf der rechten Seite. Sie lächelt und sagt: Ich habe kaum Kraft aufgewandt. Wir

probieren jetzt mal was aus. Mir ist alles Recht. Allein die Ruhe, die diese

Frau ausstrahlt, entspannt mich schon. Sie stellt den Cassettenrecorder an,

drückt mir eine Postkarte in die Hand und bewegt meinen rechten Arm hoch und

runter. Ich starre auf ein Feld, es ist gelb. Abgeerntet. Strohballen liegen

dort, fein säuberlich gebündelt. Im Hintergrund Bäume. Daneben stehen die

Wörter: Gelassenheit, Optimismus, Geborgenheit, Zufriedenheit.

Ich merke, wie ich loslasse, ganze

Muskelgruppen entspannen sich. Gelassenheit – das trifft es. Mehr Gelassenheit.

Mein Feld ist doch längst bestellt. Jetzt ist es Zeit, die Ernte einzufahren.

Heute, morgen, übermorgen. Auf einen Tag kommt es doch gar nicht an.

Die Ernte meines Lebens. Viel

geht, nicht alles muss. Was für eine Fülle. Warum dann der Stress. Genießen ist

jetzt angesagt. Es ist Sommer. Loslassen, ablassen, weglassen.

Sich auf`s Feld legen und

sich freuen über all das, was ist.

Die Therapeutin wechselt die

Seite. Jetzt ist der linke Arme dran. Dasselbe Spiel. Dann kommt der finale

Check. Ich hebe den Arm hoch und sie versucht, ihn runterzudrücken. Wahnsinn.

Sie schafft es nicht! Ich bin zurück in meiner Energie. Ganz ohne

Kraftanstrengung!

Ich möchte den Rest des Tages auf der Liege

bleiben. Spüre jetzt erst, wie erschöpft ich bin. Schon am frühen Morgen. Die

Zeit ist um. Ich nehme das Bild in meinem Herzen mit.

Und immer wieder führe ich

mir die Ernte meines Lebens vor Augen. Die Bewegung der Arme imaginiere ich. Es

funktioniert. Ich schwöre. Body sense nennt sich diese Methode. Ich gehe zurück

in`s Büro und treffe Entscheidungen. Eins, zwei, drei – zack weg damit.

Den Ballast – brauche ich

nicht mehr.

In meiner nächsten Sitzung

bekomme ich die Karte mit einem Schnee bedeckten Berggipfel. Klarheit steht da.

Genau, denke ich und plane Urlaub in den Dolomiten. Ich kann nur sagen: Der

Körper weiß mehr, als wir. So wunderbar sind wir gemacht. Gott hat uns diesen

Kompass gegeben. Nutzen müssen wir ihn allerdings selbst.

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58251_WDR220220601Steinwender.mp3

  • 1.6.2022
  • Sabine Steinwender
  • © CCO Pixabay
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