Es ist seltener geworden,
aber es gibt es immer noch: Das Unkraut am Wegesrand. Kornblumen, Disteln,
Löwenzahn manchmal auch Hagebutten oder dornenreiche Wildrosen.
Der Wegesrand ist ein ganz
eigener, schützenswerter und botanisch interessanter Lebensbereich. Und einer, der
mich an eine biblische Fabel erinnert:
Weil sie es den Menschen und
den Tieren gleichtun wollten, beschließen die Pflanzen, einen König zu wählen.
Zuerst wählen Sie den beliebten und stattlichen Olivenbaum. „Du Olive, sei
unser König“. Aber der Olivenbaum lehnt ab: „Freunde, dann müsste ich ja mein
herrliches Öl aufgeben, das Götter und Menschen gleichermaßen erfreut. Und
wofür? Nur um als König über euch zu herrschen? Nein danke.“
Als nächstes fragen die
Pflanzen den Feigenbaum. Aber auch der Feigenbaum lehnt ab: „Soll ich meine
süßen Früchte aufgeben, nur um über euch zu herrschen? Nee dankeschön.“
Nun fragen die Pflanzen den
Weinstock. Aber auch der lehnt ab und will seinen Wein und die Freude, die er
damit verbreitet, nicht aufgeben.
Nach drei deutlichen
Abfuhren wenden sich die Pflanzen an den Dornbusch: „Sei du unser König!“ Erstaunlicherweise
ist der Dornbusch überhaupt nicht überrascht. Im Gegenteil: Er hat sich bislang
eher verkannt gefühlt. Und darum nimmt er die Königswürde schnell und stolz an.
Diese Geschichte steht in
der Bibel, im Buch der Richter. Ein gewisser Jotam hat sie erzählt. Jotam
musste sich danach übrigens schnell vom Acker machen. Denn solche Worte über
die Mächtigen und Regierenden waren auch damals schon außerordentlich unbeliebt.
Aber bleiben wir beim
Dornbusch: Alleine in der Bibel gibt es über 20 verschiedene stachelige und
dornige Sträucher, die namentlich benannt werden. Für unsere Heilige Schrift
ist der Dornbusch das Symbol für das Unkraut schlechthin. Schon in der
Schöpfungsgeschichte wird der Acker, den Adam bearbeiten soll, mit Dornen und
Disteln verflucht. Der Dornbusch ist wertlos und ein Ärgernis.
Und dennoch: Gott spricht zu
Mose aus einem Dornbusch heraus. Die einzige Krone, die Jesus aus Nazareth
jemals getragen hat, war eine Dornenkrone. Und über Jesus heißt es ja bei
Jesaja, dass er der Allerverachteste und Unwerteste aller Menschen gewesen ist.
Gott sei Dank ist das letzte
Wort darüber, ob etwas Kraut oder Unkraut ist, noch lange nicht gesprochen.
Nicht bei den Pflanzen.
Und auch nicht bei den Menschen.
Quelle:
Gerhard Engelsberger, Wunderwege. Gütersloher Verlagshaus, 1. Auflage 2015, S.
32-33; ISBN 978-3-579-07426-9
Redaktion: Pastorin Sabine
Steinwender-Schnitzius
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