„Heilger Geist, du Tröster mein“ (eg 128)

Choralandacht | 20.05.2023 | 00:00 Uhr

Autor: Vorgestern war Christi Himmelfahrt. Nächste Woche folgt dann

Pfingsten. Die Bibel erzählt, wie die engsten Freundinnen und

Freunde Jesu zusammensaßen – unsicher und verängstigt, nachdem ihr Anführer

nicht mehr unter ihnen war. Da kommt der Heilige Geist über sie. Plötzlich

fassen sie Mut und gehen nach draußen. Die Ankunft dieses Geistes feiern

wir an Pfingsten. Und morgen? Ein ganz normaler Sonntag? Morgen wird das

angekündigt. Dann wird in den Evangelischen Gottesdiensten ein Versprechen Jesu

aus dem Johannesevangelium vorgelesen. Dass nämlich im Tausch für ihn der

Heilige Geist als Tröster vom Himmel kommen wird. Zwischen Himmelfahrt und

Pfingsten geht es um die Sehnsucht nach dem Tröster-Geist! Exaudi heißt der

Sonntag, zu deutsch: „Erhöre!“- nach dem Psalmvers „Gott sei mir gnädig und

erhöre mich!“ Morgen steht in unseren Kirchen diese Bitte im Mittelpunkt: Gott

erhöre mich in meiner Sehnsucht nach Deinem Geist! Für den Sonntag Exaudi ist

ein alter Choral als Hauptlied ausgesucht worden, der dieser Sehnsucht Farbe

und Geschmack gibt – „Heilger Geist, du Tröster mein“:

Musik 1: Choral, Strophe 1

Titel: Heilger Geist, du Tröster mein (für Singstimme und Klavier), Text: Möller, Martin; Komposition: unbekannt; Interpreten: Andreas Weller (Tenor) und Götz Payer (Klavier); Album: Aus meines Herzens Grunde. Die schönsten alten Kirchenlieder;

Label: Carus; LC: 03989

Heilger Geist, du Tröster mein, hoch vom Himmel uns erschein mit dem Licht der Gnaden dein.

Autor: Warmes Gnaden-Licht in unsere Dunkelheiten hinein, kein kaltes, das

einen beleuchtet oder gar abschätzend durchleuchtet, vielmehr

eins, das uns eben „erleucht“: innen mit gnädigem,

weichem Licht zum Strahlen bringt. Solch ein guter Gottesgeist wird hier herbeigesehnt. Der Autor dieses Liedes, Pastor Martin Moller, beginnt so seine freie Übersetzung von

einem lateinischen Gedicht, das schon um das Jahr 1200 gereimt worden war.

Moller wird in der Nähe der Luther-Stadt Wittenberg geboren, im Jahr 1547, also ein Jahr nach dem Tod des Reformators. Beider Geburtstag war der

Vorabend des Martinstages, womit für beide der Vorname geklärt war. Obwohl

Moller in armen Verhältnissen aufwächst und an ein ordentliches

Theologiestudium nicht zu denken ist, wird er doch zum Geistlichen

ernannt. Zu offensichtlich sind seine selbstausgebildeten Geistesgaben. Am Ende

seiner Laufbahn wird er gar Oberpfarrer in Görlitz. Er bleibt aber immer ein

Mann des leisen und schlichten Tons. In vielen Andachtsbüchern versucht er, echten Trost zu vermitteln. In einem von ihnen hat er seine Übersetzung der

lateinischen Verse zuerst veröffentlicht. Erst einige Jahre nach Mollers Tod

kam von unbekannter Hand eine Melodie dazu. Und sie passt – zu Moller und zu

seinen Strophen. Eine Sehnsuchtsmelodie, ganz

schlicht mit nur ein Handvoll Tönen. Und doch ist in dem sanften Wiegen schon

der echte Trost zu spüren, der vom Geist erbeten wird:

Musik 2: Improvisation „Duo“ zu „Heiliger Geist, du Tröster mein“

Titel: Duo; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album:

Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten; Label: OrganPromotion;

LC 07811

Autor: Die Sehnsucht nach echtem Trost betont Moller in den nächsten beiden

Strophen – weit mehr als die lateinische Vorlage es tut. Schade, dass sie in unserem Gesangbuch fehlen!

Sprecherin: Höchster Trost in aller Last, o du süßer Herzensgast, unsre Seel

erquicke bass. Herr, ganz tröstlich blick uns an, wenn wir in Anfechtung stahn und

mit Tränen seufzen tun.

Autor: „Bass erstaunt“, den Ausdruck kennen wir. Gemeint ist: zutiefst erstaunt. So soll der höchste Himmelströster ein

Herz, eine Seele in ihrer tiefsten Niedergeschlagenheit aufsuchen und eben

„bass“ erquicken. Und der unsichtbare Geist soll uns mit tröstlichem Blick so

ansehen, dass er durchkommt durch unseren tränenverschleierten Blick. Woran,

fragt sich, kann ein Mensch merken, dass soetwas Wundersames passiert?

Musik 1: Choral, Strophe 3

O du sel’ge

Gnadensonn, füll das Herz mit Freud und Wonn aller, die

dich rufen an.

Autor: Nichts Lautes, nichts Knallvergnügtes tröstet ein Trauer-Herz. Eine

Wonne kann die Suppe sein, vom Nachbarn vor die Tür gestellt, weil Redenmüssen

zu viel wäre. Ein Freudenhauch kann das sein, was ein Sonnenwind mit den Blättern einer Silberpappel veranstaltet. Oder dass ein

Rotkehlchen auf dem Grabstein des Liebsten hocken bleibt auch bei deinem

Nähertreten, dich ansieht, leise zu flöten beginnt – all das: Geistesgegenwart.

Musik 3: Improvisation „Flutes“ zu „Heilger Geist, du Tröster mein“

Titel: Flutes; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album:

Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten;

Label: OrganPromotion; LC 07811

Autor: Jesus verspricht seinen Leuten, den Heiligen Geist zu senden. An der Stelle im Johannesevangelium steht in der griechischen

Ursprache das schillernde Wort Paraklet. Das kann gut mit „Tröster“ übersetzt

werden. Ganz wörtlich übertragen käme aber auf Latein das Wort Advokat heraus,

auf Deutsch das Wort Fürsprecher. Der Geist

tritt also an meine Seite, wenn es um meine Schwächen geht. In der zweiten

Hälfte unseres Lieds geht die Sehnsucht nach dem Heiligen Geist genau in diese

Richtung:

Musik 1, Choral, Strophe 4

Ohn dein Beistand, Hilf und Gunst ist all unser Tun und Kunst vor Gott

ganz und gar umsonst.

Autor: Was für eine wunderbare Vorstellung: wir stehen vor Gottes Richterstuhl

mit all unserem Versagen – und Gott schickt sich selbst als Heiligen Geist an unsere Seite, damit er uns als Rechtsbeistand

sozusagen „heraushauen“ kann und die Sache geradebiegen. Ein echter Fürsprecher

eben.

Musik 4: Jürgen Essl, Improvisation „Grand Choeur“ zu „Heilger Geist, du Tröster mein“

Titel: Grand Choeur; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album: Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten; Label: OrganPromotion; LC

07811

Sprecherin (overvoice): Wasch uns, Herr, von Sünden weiß, unser schmachtig Herz begeuß, die Verwundten heil mit Fleiß. Lenk uns nach dem Willen dein, wärm die kalten

Herzen fein, bring zurecht, die irrig sein.

Autor: So geht unser Lied ungekürzt weiter. Ganz Mollers sanfte Art war es,

den Heiligen Geist entscheiden zu lassen, wo jemand auf dem Irrweg und gnädig umzulenken war. Er selbst musste es anders erleben. So beliebt

er in seiner Gemeinde war, die Theologen im fernen Wittenberg beschimpften ihn

laut als Irrlehrer, weil er es richtig und wichtig fand, sich als Lutheraner

mit Calvinisten an einen Tisch zu setzten. Und wie reagierte Moller auf die Hasstiraden? Er blieb freundlich – und schrieb einfach etwas in sein

Testament…

Sprecher: Und es ist auf sein Begehren eine Linde auf sein Grab gesetzet worden,

welche auch heutigen Tag noch stehet und 2 Brände ausgestanden und keinen

Schaden dabei gelitten – und noch immer grünet.

Autor: So heißt es in einer alten Lebensbeschreibung. Nach 2 Bränden hat diese

Linde auf dem Görtlitzer Friedhof auch noch 2 Weltkriege überstanden. Uralt,

noch immer blühend. Eine Gerichtslinde der besonderen Art, eine Gnadenlinde. Die Botschaft dieses Grabbaumes steckt für mich ganz und gar in

den beiden letzten Strophen. In dem Gesangbuch, das ich vor über 40 Jahren zur

Konfirmation bekam, da steht Mollers schwungvolle Übersetzung noch drin:

Sprecherin: Gib uns, Herr, wir bitten dich, die wir glauben festiglich, Deine

Gaben mildiglich. Dass wir leben heiliglich, danach sterben seliglich, bei dir

bleiben ewiglich.

Musik 5: Jürgen Essl, Improvisation „Plein jeu“ zu „Heilger Geist, du Tröster mein“

Titel: „Plein jeu“; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album:

Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten; Label: OrganPromotion; LC 07811

Autor (overvoice): Bei diesen kräftigen Worten höre schon das Pfingstgebraus, das den

Leuten von Jesus alle Angst weggepustet hat. Die Angst vor dem

Leben und vor dem Tod.

Ich höre schon das Pfingstgebraus – und in der Mitte klingt ganz

unaufgeregt die einfache Melodie durch: „Heilger Geist, du Tröster mein“…

Musik 5 freistehend

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

  • 20.5.2023
  • Christian Casdorff
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