Autor: Vorgestern war Christi Himmelfahrt. Nächste Woche folgt dann
Pfingsten. Die Bibel erzählt, wie die engsten Freundinnen und
Freunde Jesu zusammensaßen – unsicher und verängstigt, nachdem ihr Anführer
nicht mehr unter ihnen war. Da kommt der Heilige Geist über sie. Plötzlich
fassen sie Mut und gehen nach draußen. Die Ankunft dieses Geistes feiern
wir an Pfingsten. Und morgen? Ein ganz normaler Sonntag? Morgen wird das
angekündigt. Dann wird in den Evangelischen Gottesdiensten ein Versprechen Jesu
aus dem Johannesevangelium vorgelesen. Dass nämlich im Tausch für ihn der
Heilige Geist als Tröster vom Himmel kommen wird. Zwischen Himmelfahrt und
Pfingsten geht es um die Sehnsucht nach dem Tröster-Geist! Exaudi heißt der
Sonntag, zu deutsch: „Erhöre!“- nach dem Psalmvers „Gott sei mir gnädig und
erhöre mich!“ Morgen steht in unseren Kirchen diese Bitte im Mittelpunkt: Gott
erhöre mich in meiner Sehnsucht nach Deinem Geist! Für den Sonntag Exaudi ist
ein alter Choral als Hauptlied ausgesucht worden, der dieser Sehnsucht Farbe
und Geschmack gibt – „Heilger Geist, du Tröster mein“:
Musik 1: Choral, Strophe 1
Titel: Heilger Geist, du Tröster mein (für Singstimme und Klavier), Text: Möller, Martin; Komposition: unbekannt; Interpreten: Andreas Weller (Tenor) und Götz Payer (Klavier); Album: Aus meines Herzens Grunde. Die schönsten alten Kirchenlieder;
Label: Carus; LC: 03989
Heilger Geist, du Tröster mein, hoch vom Himmel uns erschein mit dem Licht der Gnaden dein.
Autor: Warmes Gnaden-Licht in unsere Dunkelheiten hinein, kein kaltes, das
einen beleuchtet oder gar abschätzend durchleuchtet, vielmehr
eins, das uns eben „erleucht“: innen mit gnädigem,
weichem Licht zum Strahlen bringt. Solch ein guter Gottesgeist wird hier herbeigesehnt. Der Autor dieses Liedes, Pastor Martin Moller, beginnt so seine freie Übersetzung von
einem lateinischen Gedicht, das schon um das Jahr 1200 gereimt worden war.
Moller wird in der Nähe der Luther-Stadt Wittenberg geboren, im Jahr 1547, also ein Jahr nach dem Tod des Reformators. Beider Geburtstag war der
Vorabend des Martinstages, womit für beide der Vorname geklärt war. Obwohl
Moller in armen Verhältnissen aufwächst und an ein ordentliches
Theologiestudium nicht zu denken ist, wird er doch zum Geistlichen
ernannt. Zu offensichtlich sind seine selbstausgebildeten Geistesgaben. Am Ende
seiner Laufbahn wird er gar Oberpfarrer in Görlitz. Er bleibt aber immer ein
Mann des leisen und schlichten Tons. In vielen Andachtsbüchern versucht er, echten Trost zu vermitteln. In einem von ihnen hat er seine Übersetzung der
lateinischen Verse zuerst veröffentlicht. Erst einige Jahre nach Mollers Tod
kam von unbekannter Hand eine Melodie dazu. Und sie passt – zu Moller und zu
seinen Strophen. Eine Sehnsuchtsmelodie, ganz
schlicht mit nur ein Handvoll Tönen. Und doch ist in dem sanften Wiegen schon
der echte Trost zu spüren, der vom Geist erbeten wird:
Musik 2: Improvisation „Duo“ zu „Heiliger Geist, du Tröster mein“
Titel: Duo; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album:
Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten; Label: OrganPromotion;
LC 07811
Autor: Die Sehnsucht nach echtem Trost betont Moller in den nächsten beiden
Strophen – weit mehr als die lateinische Vorlage es tut. Schade, dass sie in unserem Gesangbuch fehlen!
Sprecherin: Höchster Trost in aller Last, o du süßer Herzensgast, unsre Seel
erquicke bass. Herr, ganz tröstlich blick uns an, wenn wir in Anfechtung stahn und
mit Tränen seufzen tun.
Autor: „Bass erstaunt“, den Ausdruck kennen wir. Gemeint ist: zutiefst erstaunt. So soll der höchste Himmelströster ein
Herz, eine Seele in ihrer tiefsten Niedergeschlagenheit aufsuchen und eben
„bass“ erquicken. Und der unsichtbare Geist soll uns mit tröstlichem Blick so
ansehen, dass er durchkommt durch unseren tränenverschleierten Blick. Woran,
fragt sich, kann ein Mensch merken, dass soetwas Wundersames passiert?
Musik 1: Choral, Strophe 3
O du sel’ge
Gnadensonn, füll das Herz mit Freud und Wonn aller, die
dich rufen an.
Autor: Nichts Lautes, nichts Knallvergnügtes tröstet ein Trauer-Herz. Eine
Wonne kann die Suppe sein, vom Nachbarn vor die Tür gestellt, weil Redenmüssen
zu viel wäre. Ein Freudenhauch kann das sein, was ein Sonnenwind mit den Blättern einer Silberpappel veranstaltet. Oder dass ein
Rotkehlchen auf dem Grabstein des Liebsten hocken bleibt auch bei deinem
Nähertreten, dich ansieht, leise zu flöten beginnt – all das: Geistesgegenwart.
Musik 3: Improvisation „Flutes“ zu „Heilger Geist, du Tröster mein“
Titel: Flutes; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album:
Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten;
Label: OrganPromotion; LC 07811
Autor: Jesus verspricht seinen Leuten, den Heiligen Geist zu senden. An der Stelle im Johannesevangelium steht in der griechischen
Ursprache das schillernde Wort Paraklet. Das kann gut mit „Tröster“ übersetzt
werden. Ganz wörtlich übertragen käme aber auf Latein das Wort Advokat heraus,
auf Deutsch das Wort Fürsprecher. Der Geist
tritt also an meine Seite, wenn es um meine Schwächen geht. In der zweiten
Hälfte unseres Lieds geht die Sehnsucht nach dem Heiligen Geist genau in diese
Richtung:
Musik 1, Choral, Strophe 4
Ohn dein Beistand, Hilf und Gunst ist all unser Tun und Kunst vor Gott
ganz und gar umsonst.
Autor: Was für eine wunderbare Vorstellung: wir stehen vor Gottes Richterstuhl
mit all unserem Versagen – und Gott schickt sich selbst als Heiligen Geist an unsere Seite, damit er uns als Rechtsbeistand
sozusagen „heraushauen“ kann und die Sache geradebiegen. Ein echter Fürsprecher
eben.
Musik 4: Jürgen Essl, Improvisation „Grand Choeur“ zu „Heilger Geist, du Tröster mein“
Titel: Grand Choeur; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album: Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten; Label: OrganPromotion; LC
07811
Sprecherin (overvoice): Wasch uns, Herr, von Sünden weiß, unser schmachtig Herz begeuß, die Verwundten heil mit Fleiß. Lenk uns nach dem Willen dein, wärm die kalten
Herzen fein, bring zurecht, die irrig sein.
Autor: So geht unser Lied ungekürzt weiter. Ganz Mollers sanfte Art war es,
den Heiligen Geist entscheiden zu lassen, wo jemand auf dem Irrweg und gnädig umzulenken war. Er selbst musste es anders erleben. So beliebt
er in seiner Gemeinde war, die Theologen im fernen Wittenberg beschimpften ihn
laut als Irrlehrer, weil er es richtig und wichtig fand, sich als Lutheraner
mit Calvinisten an einen Tisch zu setzten. Und wie reagierte Moller auf die Hasstiraden? Er blieb freundlich – und schrieb einfach etwas in sein
Testament…
Sprecher: Und es ist auf sein Begehren eine Linde auf sein Grab gesetzet worden,
welche auch heutigen Tag noch stehet und 2 Brände ausgestanden und keinen
Schaden dabei gelitten – und noch immer grünet.
Autor: So heißt es in einer alten Lebensbeschreibung. Nach 2 Bränden hat diese
Linde auf dem Görtlitzer Friedhof auch noch 2 Weltkriege überstanden. Uralt,
noch immer blühend. Eine Gerichtslinde der besonderen Art, eine Gnadenlinde. Die Botschaft dieses Grabbaumes steckt für mich ganz und gar in
den beiden letzten Strophen. In dem Gesangbuch, das ich vor über 40 Jahren zur
Konfirmation bekam, da steht Mollers schwungvolle Übersetzung noch drin:
Sprecherin: Gib uns, Herr, wir bitten dich, die wir glauben festiglich, Deine
Gaben mildiglich. Dass wir leben heiliglich, danach sterben seliglich, bei dir
bleiben ewiglich.
Musik 5: Jürgen Essl, Improvisation „Plein jeu“ zu „Heilger Geist, du Tröster mein“
Titel: „Plein jeu“; Komposition/Interpret: Jürgen Essl; Album:
Orgelimprovisationen Vol. 5, Pfingsten; Label: OrganPromotion; LC 07811
Autor (overvoice): Bei diesen kräftigen Worten höre schon das Pfingstgebraus, das den
Leuten von Jesus alle Angst weggepustet hat. Die Angst vor dem
Leben und vor dem Tod.
Ich höre schon das Pfingstgebraus – und in der Mitte klingt ganz
unaufgeregt die einfache Melodie durch: „Heilger Geist, du Tröster mein“…
Musik 5 freistehend
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth