Guten Morgen.
O-Ton: Sturmglocken (WDR-Archiv)
Im Morgengrauen in Paris läuten die Glocken Sturm. Es
ist der Auftakt zu einer blutigen Schlacht, die später in die Geschichtsbücher
als die „Bartholomäusnacht“ eingehen wird: Viele Hugenotten, die sich zu ihrem
calvinistisch-protestantischen Glauben bekannten, wurden damals brutal
ermordet.
Das war am 24. August, heute vor 450 Jahren.
So ein Datum ist so etwas wie ein Anhaltspunkt. Lassen Sie uns doch heute Morgen einmal
wortwörtlich anhalten. Anhalten, um über „Glaubensmut“ nachzudenken.
„Wegen des Glaubens verfolgt werden“ ist leider kein Thema, das man nur aus den
Geschichtsbüchern kennt. Weltweit werden immer noch Menschen wegen ihres
Glaubens verfolgt, unterdrückt und geächtet. Nach wie vor gibt es viele, die
wegen ihres Glaubens in ein anderes Land gehen, alles verlassen, was ihnen lieb
und teuer ist, weil ihnen ihr Glaube noch lieber und noch teurer ist.
Ich bin oft sehr beeindruckt von Menschen, die ihren
Glauben trotz aller Gefahren bewahren und leben. Die es sich nicht dadurch
einfacher machen, in dem sie ihn aufgeben für ein Leben in äußerem Frieden. Was
für eine Stärke, was für ein Mut, was für ein Glaube!
In früheren Zeiten waren in Europa Glaube, Politik und
Bevölkerung eng miteinander verknüpft. Daher auch die brutalen Auswirkungen in
den zahlreichen Pogromen der Vergangenheit.
Dass wir in unserem Staat frei unseren Glauben leben
dürfen, ist eine Frucht der Neuzeit und ein unschätzbares Gut.
Ich will also
anhalten und darüber nachdenken, dass es nicht immer selbstverständlich war und
noch immer nicht ist, seinen Glauben frei zu leben. Sondern lebensgefährlich.
Ich bin froh, dass
sich zumindest diese Zeiten, in denen religiöse Verfolgung an der Tagesordnung
war – jedenfalls in unseren Breiten –
geändert haben. Umso wachsamer sollten wir daher sein, wenn an den Rändern
unserer Gesellschaft der Hass auf Menschen wegen ihres Glaubens wieder geschürt
wird. In welcher Form auch immer. Es sollten auch bei uns alle Sturmglocken
läuten, wenn auch nur im Ansatz Menschen wegen ihres Glaubens angegangen
werden.
Vielleicht kann der heutige Tag ein Anhaltspunkt sein,
darüber nachzudenken, wie zerbrechlich und angreifbar der eigene Glaube ist.
Und darüber: Was ist mir eigentlich wichtig an meinem Glauben? Was gehört dazu?
Spielt er eine Rolle in meinem Alltag? Gibt es etwas, das ich über meinen
eigenen Glauben, meine eigene Religion wissen möchte?
Was würde ich gern ändern? Der heutige Tag mit seiner
Erinnerung an die Bartholomäusnacht in Frankreich ist ein Anlass, dankbar zu
sein, in Frieden den eigenen Glauben leben zu können, ihn auch kritisieren zu
dürfen und dennoch zu ihm zu stehen; dankbar auch dafür, mit anderen frei und
ungezwungen darüber sprechen zu können. Ich kann Menschen anderen Glaubens
ernsthaft zuhören und ohne Angst mit allen im Austausch sein, ob sie eine
Religion haben oder nicht, darüber, was sie glauben oder nicht. So ein
„Anhalten“ tut gut und ist das Gegenteil von Stillstand, eine wunderbare Sache!
Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Ihre Pfarrerin
Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.
Redaktion:
Landespfarrerin Petra Schulze