Gemeinsamkeit wärmt

Kirche in WDR2 | 23.02.2023 | 00:00 Uhr

Zwei Grad, Nieselregen, Wind

aus Südwest. Echtes Usselwetter. Die Feuchtigkeit, die Kälte kriecht langsam

unter die Jacke, unter den Schal. Widerlich.

Also nix wie nach Hause, nix

wie rein ins Warme. Am besten ein heißes Bad nehmen.

Nur leider ist ja gerade Klimakrise

und Energiekrise zusammen. Heiße Bäder, komfortabel beheizte Wohnungen – von

all diesen Segnungen des Fortschrittes müssen wir uns ja – zumindest gedanklich

– verabschieden. Sparen ist das neue Chick. 19 Grad Raumtemperatur, kalt

duschen, Auto stehen lassen – sogar das Streamen ist inzwischen verdächtig.

Gute Frage übrigens, wie

unsere Altvorderen das gemacht haben, sich im Winter warm zu halten.

Die menschliche Kultur hat

sich am Lagerfeuer entwickelt, vor weit über einer Million Jahren. Hier hat man

sich aufgewärmt, gekocht und erzählt. Im Lauf der Zeiten sind die Heizungen

technisch raffinierter geworden:

Nur das bis zum 21.

Jahrhundert nirgendwo von oben bis unten geheizt wurde.

Meist war nur die Küche das

Wärmezentrum. Selbst im Versailler Schloss der französischen Könige blieben ein

Drittel der fast 2000 Zimmer eiskalt.

Aber man wärmte sich in

Gemeinschaft.

Zum Beispiel in öffentlichen

Badehäusern, die seit den Zeiten der römischen Thermen fester Bestandteil des

sozialen Lebens in Europa sind. Und es gibt kein Badehaus ohne soziale

Interaktion.

Wärme ist mehr als nur eine

Frage der Raumtemperatur. Wärme ist eine Frage des sozialen Miteinanders.

Unsere tiefe Sehnsucht nach dem Lagerfeuer.

In der Glut wird jene soziale

Energie erzeugt, ohne die es menschliche Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft nicht

geben würde.

Gemeinschaft ist das Stichwort,

nicht Raumtemperatur.

Vielleicht ist die

gegenwärtige Krise eine Chance, einsam und krankmachende Gewohnheiten der

Vereinzelung aufzubrechen und stattdessen die Ressource „soziale Energie“ wieder

anzuzapfen. Gemeinsam nach Wegen zurück zum Lagerfeuer zu suchen.

Zusammensitzen in der warmen

Küche. Nicht zum perfekten Dinner, sondern zum Erzählen, und statt Nachtisch

bringt jeder eine gute Geschichte mit.

„Es ist nicht gut, dass der

Mensch allein sei“ weiß schon unsere Bibel. So einfach ist es, es warm zu

bekommen: Tanzen gehen oder zum Skatspielen, facetimen mit Freunden, zusammen

durch den usseligen Winter spazieren und dann irgendwo einkehren, wo es nach

Tee und Bratapfel riecht. Gemeinsamkeit wärmt – und ist auf Dauer nachhaltiger

als ein einsames, heißes Bad.

Quellen:

https://www.spiegel.de/psychologie/annette-kehnel-uebers-energiesparen-was-wir-vom-mittelalter-lernen-koennen-a-bf571533-2ea2-4f11-9dea-e7b0313206a4

(zuletzt abgerufen am

28.01.2023)

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60414_WDR220230223Koehler.mp3

  • 23.2.2023
  • Matthias Köhler
  • © CCO Pixabay
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