Guten Morgen,
Seit einem knappen Jahr bin ich jetzt
Schulpfarrerin an einem Berufskolleg.
Das Unterrichten macht mir viel Freude,
besonders die Fragen der Schülerinnen und Schüler gefallen mir. Ihre kritische
Sicht auf manches Thema und das Hinterfragen im Religionsunterricht berühren
mich. Und genauso auch die
Fragen, die sie sich für ihre Zukunft im Beruflichen und Privaten stellen.
Und umgekehrt merke ich, wie sehr ich in der
Unterrichtsvorbereitung darauf angewiesen bin die richtigen Fragen zu stellen: damit ein Thema in Gang kommt und sich die
jeweilige Klasse mit ihren Lebensfragen angesprochen fühlt.
Ich merke: Je klarer die Fragen, desto klarer
die Antworten. Je offener die Fragen, umso interessierter sind die Schülerinnen
und Schüler.
Fragen kommen aber natürlich nicht nur in der
Schule vor.
Das Fragen gehört zum Menschen dazu, wie die
Luft zum Atmen.
Als kleines Kind fangen wir mit dem Fragen an.
Vieles ist uns unbekannt.
Ganz schön anstrengend für die Erwachsenen.
Weil man vielleicht nicht auf jede Frage eine
Antwort weiß. Oder weil es einem schwer fällt auf manche Frage eine Antwort zu
geben. Weil man nicht weiß, wie man´s dem Kind sagen soll.
Kinder machen es einem aber auch auf der
anderen Seite leicht: Sie zeigen einem deutlich, wann ihnen die Antwort auf
ihre Frage reicht.
Und Kinder stellen manchmal Fragen, die sich
ein Erwachsener nicht trauen würde zu stellen.
Das Fragen hört unser Leben lang nicht auf.
Durchs Fragen lernen wir, wachsen wir,
entdecken uns selbst und unsere Umwelt.
Durchs Fragen bekommen wir Antworten. Und neue
Fragen.
Die Fragen, die wir stellen, bewegen uns.
Lassen uns nicht los.
Es gibt keine dummen Fragen, sagt man.
Ob das stimmt, weiß ich nicht.
Aber die allermeisten Fragen haben einen Sinn.
Manchmal wünsche ich mir, ich würde aufhören,
mich das ein oder andere zu fragen.
Besonders da, wo ich das Gefühl habe, die
Antwort wird mir nicht gefallen.
Oder bei den Fragen, wo ich genau weiß, dass
ich keine Antworten kriege.
Nicht in dieser Welt.
Ein Leben ohne Wieso? Weshalb? Warum? wäre
bestimmt entspannter.
Einfach genießen zu können, was ist – ohne es
zu hinterfragen.
Und Fragen loslassen, die mich schon lange
quälen.
Aber je länger ich darüber nachdenke, denke
ich auch:
Ein Leben ohne Fragen wäre Stillstand.
Und vielleicht ist es am Ende auch hier
einfach eine gute Mischung, wieviele und welche Fragen es braucht.
Fragen können löchern und bohren.
Aber Fragen können auch Initialzündungen sein,
motivieren, und Erkenntnisse bringen.
Oft ist entscheidend wer sie, wann und wo
stellt.
Eine Frage, die Jesus immer wieder den
Menschen gestellt hat, die ihn aufgesucht haben, lautet: Was willst Du? Was
soll ich für dich tun? (Lukas 18,41. Basisbibel)
Und diese Frage setzt dann immer irgendwas in
Gang, oft was ganz Unerwartetes.
Jesus stellt seine Frage als offene Frage und
meint nicht schon zu wissen, was der andere braucht. Er zeigt so ehrliches
Interesse an dem Fragenden. Und so kann der in Ruhe und ohne Druck nach einer
Antwort suchen, die ihm hilft. Er fühlt sich ernst genommen und nicht
bevormundet.
Vielleicht brauchen wir ja mehr Fragen dieser
Art, wenn wir nach Antworten suchen.
Das fragt sich Pfarrerin Anne Wellmann aus
Tönisvorst
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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