„Christus der ist mein Leben“ (eg 516)

Choralandacht | 05.11.2022 | 00:00 Uhr

Musik 1: Christus, der ist mein Leben, P 376 (für

Orgel) von CD Pachelbel: Complete Keyboard Music

(Simone Stella) Komponist: Vulpius, Melchior. LC-Nr.: 09421, Label: Brilliant

Classics. WDR- Archivnummer 6198419603.001.001

Autor: Der November wird

seinen Ruf als trauriger Monat nicht los. Er ist kalt, nass und nebelig. Und

wenn doch mal die Sonne scheint, mache ich mir schon wieder Sorgen wegen des

Klimawandels. In diesem November bekommt auch der Volkstrauertag zum Gedenken

an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft eine neue Bedeutung, denn der Krieg

ist nähergekommen.

Die

Kirchen erinnern im November an ihre Verstorbenen. Das geschieht aber nicht, um

die Menschen noch trauriger zu machen. Im Gegenteil: Mitten in diese trübe Zeit

wird ein Wort der Hoffnung gesprochen. Durch die dunklen Gedanken der Trauer darf

ich einen Lichtblick erkennen. Mitten im Tod das Leben.

Musik 2: Choral,

Strophe 1

Track 20 (CD 1) Christus, der ist mein Leben (für 4

Singstimmen und Basso continuo) von CD: Freu dich sehr, o

meine Seele. Geistliche Hausmusik des Barock (Nicolai-Ensemble Hameln, Hans

Christoph Becker-Foss). Interpret: Nicolai-Ensemble Hameln. Komponist:

Vulpius, Melchior. Textdichter: Vulpius, Melchior LC-Nr.: 07811, Label:

ambiente. WDR- Archivnummer 6182028120.001.001

Sprecherin: Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn; ihm will

ich mich ergeben, mit Fried fahr ich dahin.

Autor: Melchior Vulpius ist

Stadtkantor in Weimar als er 1609 dieses Lied veröffentlicht. Die ersten Worte entfalten

einen Gedanken des Apostels Paulus aus dem biblischen Philipperbrief: „Christus

ist mein Leben.“ Zunächst hat Paulus den Anhängern von Jesus Christus nach dem

Leben getrachtet. Jesus von Nazareth ist ihm nie begegnet. Aber dann erscheint

ihm der auferstandene Christus. In diesem Erlebnis ist ihm in deutlich

geworden, Jesus Christus ist nicht im Tod geblieben. Er lebt nach seinem Tod am

Kreuz auf neue Weise weiter. Gott hat seinem Sohn ewiges Leben geschenkt. Und Gott

schenkt allen, die daran glauben, dieses neue Leben. Und deshalb kann der Apostel

Paulus aus vollem Herzen sagen: „Sterben ist mir ein Gewinn“.

Musik 3: Choral,

Strophe 2+3

Christus der ist mein Leben (für Singstimmen) von CD Die helle Sonn leuchtet. Deutsche Kirchenlieder. Interpret:

Stimmwerck. Komponist:

Vulpius, Melchior. LC-Nr.: 08492, Label: cpo. WDR- Archivnummer

6189017119.001.001

Overvoice-Sprecherin:

Mit

Freud fahr ich von dannen zu Christ, dem Bruder mein, auf dass ich zu ihm komme

und ewig bei ihm sei. Ich hab nun überwunden Kreuz, Leiden, Angst und Not;

durch seine heilgen Wunden bin ich versöhnt mit Gott.

Autor: Melchior Vulpius

entfaltet die Lust und die Freude, die Paulus fühlt, wenn er daran denkt, welches

Leben er durch das Sterben erreicht.

Ein

Gewinn ist nach dem damaligen Verständnis kein zufälliges Glück, wie bei einer

Lotterie. Ein Gewinn ist für ihn das Erreichen eines angestrebten Ziels. Für

ihn ist Christus wie ein älterer Bruder, der ihm den Weg durchs Leben gebahnt

hat. Die Wunden, die Christus erlitten hat, zeigen Paulus, dass auch seine

Verletzungen heilen werden.

Die,

die er damals anderen zugefügt hat und die, die er später selbst ertragen muss.

Mit diesen

ersten drei Strophen betont Vulpius die Grundlagen des Glaubens. Doch ein

Glaubensbekenntnis ist das eine, aber diesen Glauben im eigenen Leben zu

verinnerlichen, ist etwas anderes.

Musik 3: Choral,

Strophe 4

Sprecherin: Wenn meine Kräfte

brechen, mein Atem geht schwer aus und kann kein Wort mehr sprechen: Herr, nimm

mein Seufzen auf.

Autor: Sterben und Leben: Was er vorher mit

dem Mut des Bekenners als Gewinn und Freude besungen hat, schildert Melchior

Vulpius nun ohne jede Beschönigung.

Sicherlich

hat er selbst erlebt, wie Menschen damals zuhause auf dem Sterbebett liegen.

Die Familie spürt, wie die Kraft immer mehr den Körper verlässt. Der Mensch

bekommt kaum noch Luft und kann sich nicht mehr verständlich machen. Doch die

letzten Gefühlsregungen, die gelten Christus. Mit seinem Seufzen zeigt er

seinem Herrn im Sterben, worauf er im Leben vertraut.

Musik 3: Choral,

Strophe 5+6

Overvoice-Sprecherin:

Wenn

mein Herz und Gedanken zergehen wie ein Licht, das hin und her tut wanken, wenn

ihm die Flamm gebricht: alsdann lass sanft und stille, o Herr, mich schlafen

ein nach deinem Rat und Willen, wenn kommt mein Stündelein.

Autor: Melchior Vulpius beschreibt,

wie die Gedanken vergehen, wie verglimmendes Kerzenlicht. Irgendwann hört das

Herz auf zu schlagen, irgendwann ist die Flamme ausgelöscht. Das Zeichen der

erloschenen Kerze gibt mir Hoffnung, dass ich nicht alles, was mich im Alltag

bewegt hat, mitnehmen werde, wenn ich die letzte Grenze überschreite. Ich

hoffe, dass ich von vielem befreit werde, womit ich mich selbst belastet habe. Ich

glaube, dass ich auf diese Weise die Versöhnung mit Gott erfahre.

Am

Ende sanft und still einzuschlafen, das wünschen sich viele. Unzählige Male bin

nach dem Schlafen morgens aufgewacht. Mal habe ich voller Erwartung vor

dem Wecker die Augen geöffnet. Ein anderes Mal musste ich erst die Gedanken

ordnen: Welcher Tag ist heute? Was ist gestern passiert? Was steht heute auf

dem Plan?

Zum

Erwachen nach dem letzten Einschlafen habe ich keinen Vergleich und

keinen Plan.

Aber

ich habe meinen Glauben. Der gibt mir das Vertrauen, dass es auch nach dem

letzten Atemzug eine Zukunft gibt. Wie diese Zukunft aussehen wird, weiß ich

nicht. Aber ich rechne damit, dass ich bei Gott Geborgenheit erfahre.

In

der letzten Strophe beschreibt Vulpius, wie er sich dieses zukünftige Sein mit

Christus vorstellt.

Musik 3: Choral,

Strophe 7 (original)

Sprecherin: Und lass mich an

dir kleben wie ein Klette am Kleid, und ewig bei dir leben in himmlischer Wonn und

Freud.

Autor: Das Bild von der

Klette, die an der Kleidung klebt, klingt für meine Ohren fremd. Vulpius möchte

eine sehr innige Verbindung mit Christus beschreiben. Es entspricht der derben

Sprache der damaligen Zeit. Daher wurde später diese letzte Strophe immer

wieder verändert.

Im Evangelischen Kirchengesangbuch der fünfziger

Jahre lautet sie: „An dir lass gleich den Reben mich bleiben alle Zeit.“ Das

erinnert an einen Gedanken, den Jesus im Johannesevangelium formuliert: „Ich

bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der

bringt viel Frucht;“ (Joh 15,4).

Im

derzeitigen Evangelischen Gesangbuch steht eine ökumenische Fassung der letzten

Strophe. Sie verzichtet auf Vergleiche, spricht aber eine große Hoffnung aus.

Musik 2: Choral,

Strophe 7

Sprecherin: In dir, Herr,

lass mich leben und bleiben allezeit, so wirst du mir einst geben des Himmels

Wonn und Freud.

Autor: Diese Zeilen

zeigen mir, wie ich mir die Zukunft mit Christus vorstellen darf: Die enge

Verbindung mit Christus wird immer bestehen und es wird eine fröhliche

Gemeinschaft sein.

Für

mich heißt das:

Ich

habe in meinem Leben eine besondere Nähe zu Christus gespürt.

Diese

tiefe Gemeinschaft mit ihm bleibt bestehen. Denn Christus eröffnet mir eine

Zukunft, die niemals aufhört.

Dieser

Glaube gibt mir immer wieder Hoffnung, auch und gerade im trüben November.

Im

Glauben an Christus erfahre ich Versöhnung und Liebe. Die darf ich schon jetzt

mit anderen Menschen teilen. Das ist für mich ein Gewinn. Und dieser Gewinn wird

mir bleiben, auch wenn ich zum letzten Mal die Augen schließe.

Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein

Gewinn.

Musik 1: Orgel

Quellen:

Wikipedia: Christus, der ist mein Leben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Christus,_der_ist_mein_Leben

zuletzt abgerufen am 14.09.2022

Redaktion: Landespfarrer

Dr. Titus Reinmuth

  • 5.11.2022
  • Michael Nitzke
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