«Tiere in Gefangenschaft sind besser ausgewildert
worden, als die Bürger der ehemaligen DDR, nach dem Fall der Mauer.»
Sagt die Filmemacherin
Kathleen Witt. Und spricht aus eigener Erfahrung. Von dem Schock sich als
Jugendliche plötzlich aus «dem Osten» in »dem Westen» wiederzufinden.
Fremd. Verwirrend. Ausgewildert.
Auswildern. Heisst ja: Tiere, die – aus welchen Gründen auch immer – in
Gefangenschaft leben mussten, werden in einem langsamen Prozess an das Leben in
Freiheit gewöhnt. Mindestens zwei Dinge finde ich in dem Bild bemerkenswert.
Erstens: Scheint ja völlig
klar und selbstverständlich zu sein, dass sogenannte wilde Tiere, die Freiheit
brauchen. In Freiheit zu leben, ist sozusagen ihre natürliche Umgebung.
Und zweitens: Das so ein Weg
von der Gefangenschaft in die Freiheit ein Prozess ist. Das Langsamkeit hierbei
offensichtlich eine gute Idee ist. Und: Dass das etwas mit Übung zu tun hat.
Das Freiheit zu üben ist.
Weil Frau oder Mann oder Tier
sie verlernt hat. Ja, ja. Ich weiß, in einem Alltag voller Nöte und Zwänge:
große Worte. Und es ist natürlich auch komplizierter. Im besten Fall schützt
das Gehege das Tier; das Gefängnis die Gesellschaft und den Gefangenen vor sich
selbst, usw.
Die Frage ist nur: Was ist
das Ziel von Begrenzung? Und: Wie geht das mit dem Übergang?
Weil: Einhundert Prozent gibt
es auf dieser Welt nicht: Es gibt keine totale Gefangenschaft und keine totale
Freiheit. Es gibt Verhältnisse, Gewichtungen: Auch im Knast. Auch in der damaligen
DDR hat es sie gegeben. Auch in der BRD gibt es sie heute. Und auch in der Idee
vom eigenen Leben Also: Wie geht das mit dem jeweiligen Auswildern?
Langsam ist offensichtlich
eine gute Idee. Behutsam. Indem ich es übe. Frei zu sein. Zum Beispiel. Mich
wie ein freier Mensch zu verhalten. Kein Problem? Ach, echt jetzt?
Eben. Ja, klar. Zwänge sind
Zwänge.
Im Brief an die Galater
schreibt Paulus: Christus hat uns befreit, damit wir endgültig frei sind.
Bleibt also standhaft und unterwerft euch nicht wieder dem Joch der Sklaverei.
(Gal.5)
Mal angenommen, das wäre so –
was ich glaube – dann heißt das ja: Ich bin schon frei – jetzt. Ausgewildert
sozusagen. Will ich das? Von meiner Freiheit träumen ist ja das Eine, aber so
in echt … Behutsamer Mut ist das Motto. Von schnell ist nicht die Rede.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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